Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

hafter Koketterie zu machen, und sie hat sich
heute in der Susanna als eine große Künstlerin
gezeigt."

"Ich denke", erwiderte Madame Meier,
"so gar viel Kunst bedarf sie nicht, um sich so
darzustellen, als sie ist."

"Im Gegentheil! das ist ja die schwerste
Aufgabe, sich selbst zu spielen; aber diese hat
sie nicht zu lösen gehabt, denn kokett ist die
Giovanolla nicht. Wahrhaftig nicht!" rief er,
als die Andern zu lachen anfingen. "Sie weiß,
daß sie ein Ideal von Schönheit ist, und besitzt
Großmuth genug, sich den Augen der staunenden
Mitwelt in all der Vollendung zeigen zu wollen,
deren sie fähig ist. Ich mußte heute bei jeder
ihrer Bewegungen meine Freude zurückhalten, um
nicht fortwährend den Leuten zuzurufen, daß
sie ein klassisches Modell vor Augen hätten.
O! ich habe im Geiste die wundervollsten Stu-
dien gemacht, und die Nachwelt soll sich noch

hafter Koketterie zu machen, und ſie hat ſich
heute in der Suſanna als eine große Künſtlerin
gezeigt.“

„Ich denke“, erwiderte Madame Meier,
„ſo gar viel Kunſt bedarf ſie nicht, um ſich ſo
darzuſtellen, als ſie iſt.“

„Im Gegentheil! das iſt ja die ſchwerſte
Aufgabe, ſich ſelbſt zu ſpielen; aber dieſe hat
ſie nicht zu löſen gehabt, denn kokett iſt die
Giovanolla nicht. Wahrhaftig nicht!“ rief er,
als die Andern zu lachen anfingen. „Sie weiß,
daß ſie ein Ideal von Schönheit iſt, und beſitzt
Großmuth genug, ſich den Augen der ſtaunenden
Mitwelt in all der Vollendung zeigen zu wollen,
deren ſie fähig iſt. Ich mußte heute bei jeder
ihrer Bewegungen meine Freude zurückhalten, um
nicht fortwährend den Leuten zuzurufen, daß
ſie ein klaſſiſches Modell vor Augen hätten.
O! ich habe im Geiſte die wundervollſten Stu-
dien gemacht, und die Nachwelt ſoll ſich noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="92"/>
hafter Koketterie zu machen, und &#x017F;ie hat &#x017F;ich<lb/>
heute in der Su&#x017F;anna als eine große Kün&#x017F;tlerin<lb/>
gezeigt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich denke&#x201C;, erwiderte Madame Meier,<lb/>
&#x201E;&#x017F;o gar viel Kun&#x017F;t bedarf &#x017F;ie nicht, um &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
darzu&#x017F;tellen, als &#x017F;ie i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Im Gegentheil! das i&#x017F;t ja die &#x017F;chwer&#x017F;te<lb/>
Aufgabe, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;pielen; aber die&#x017F;e hat<lb/>
&#x017F;ie nicht zu lö&#x017F;en gehabt, denn kokett i&#x017F;t die<lb/>
Giovanolla nicht. Wahrhaftig nicht!&#x201C; rief er,<lb/>
als die Andern zu lachen anfingen. &#x201E;Sie weiß,<lb/>
daß &#x017F;ie ein Ideal von Schönheit i&#x017F;t, und be&#x017F;itzt<lb/>
Großmuth genug, &#x017F;ich den Augen der &#x017F;taunenden<lb/>
Mitwelt in all der Vollendung zeigen zu wollen,<lb/>
deren &#x017F;ie fähig i&#x017F;t. Ich mußte heute bei jeder<lb/>
ihrer Bewegungen meine Freude zurückhalten, um<lb/>
nicht fortwährend den Leuten zuzurufen, daß<lb/>
&#x017F;ie ein kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ches Modell vor Augen hätten.<lb/>
O! ich habe im Gei&#x017F;te die wundervoll&#x017F;ten Stu-<lb/>
dien gemacht, und die Nachwelt &#x017F;oll &#x017F;ich noch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0104] hafter Koketterie zu machen, und ſie hat ſich heute in der Suſanna als eine große Künſtlerin gezeigt.“ „Ich denke“, erwiderte Madame Meier, „ſo gar viel Kunſt bedarf ſie nicht, um ſich ſo darzuſtellen, als ſie iſt.“ „Im Gegentheil! das iſt ja die ſchwerſte Aufgabe, ſich ſelbſt zu ſpielen; aber dieſe hat ſie nicht zu löſen gehabt, denn kokett iſt die Giovanolla nicht. Wahrhaftig nicht!“ rief er, als die Andern zu lachen anfingen. „Sie weiß, daß ſie ein Ideal von Schönheit iſt, und beſitzt Großmuth genug, ſich den Augen der ſtaunenden Mitwelt in all der Vollendung zeigen zu wollen, deren ſie fähig iſt. Ich mußte heute bei jeder ihrer Bewegungen meine Freude zurückhalten, um nicht fortwährend den Leuten zuzurufen, daß ſie ein klaſſiſches Modell vor Augen hätten. O! ich habe im Geiſte die wundervollſten Stu- dien gemacht, und die Nachwelt ſoll ſich noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/104
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/104>, abgerufen am 21.11.2024.