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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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des jetzigen Judenthums, wirst nie aufhören,
an Alles den Maßstab der Vernunft anzulegen.
Du hast gesehen, daß Deine Familie, gut und
brav, den Gesetzen der Moral gefolgt ist, und
doch die Gesetze, die das Judenthum charakteri-
siren, als bloße Ceremonialgesetze verwirft. Du
bist erzogen in der Schule des Gedankens, wenn
ich so sagen darf, und Dir ist die Möglichkeit
des Glaubens ohne Prüfung dadurch genom-
men. Du wirst hoffentlich ein Mensch wer-
den ,nach dem Herzen Gottes', aber Du wirst
niemals Christin sein, noch Jüdin. Wie wir
Juden jetzt in religiöser Beziehung denken, gibt
es keine positive Religion mehr, die für uns
möglich ist, und wir theilen mit Tausenden von
Christen die Hoffnung, daß eine neue Religion
sich aus den Wirren hervorarbeiten werde, de-
ren Lehren nur Nächstenliebe und Wahrheit,
deren Mittelpunkt Gott sein muß, ohne daß
sie einer mystischen Einhüllung bedürfen wird."

des jetzigen Judenthums, wirſt nie aufhören,
an Alles den Maßſtab der Vernunft anzulegen.
Du haſt geſehen, daß Deine Familie, gut und
brav, den Geſetzen der Moral gefolgt iſt, und
doch die Geſetze, die das Judenthum charakteri-
ſiren, als bloße Ceremonialgeſetze verwirft. Du
biſt erzogen in der Schule des Gedankens, wenn
ich ſo ſagen darf, und Dir iſt die Möglichkeit
des Glaubens ohne Prüfung dadurch genom-
men. Du wirſt hoffentlich ein Menſch wer-
den ‚nach dem Herzen Gottes‘, aber Du wirſt
niemals Chriſtin ſein, noch Jüdin. Wie wir
Juden jetzt in religiöſer Beziehung denken, gibt
es keine poſitive Religion mehr, die für uns
möglich iſt, und wir theilen mit Tauſenden von
Chriſten die Hoffnung, daß eine neue Religion
ſich aus den Wirren hervorarbeiten werde, de-
ren Lehren nur Nächſtenliebe und Wahrheit,
deren Mittelpunkt Gott ſein muß, ohne daß
ſie einer myſtiſchen Einhüllung bedürfen wird.“

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[167/0179] des jetzigen Judenthums, wirſt nie aufhören, an Alles den Maßſtab der Vernunft anzulegen. Du haſt geſehen, daß Deine Familie, gut und brav, den Geſetzen der Moral gefolgt iſt, und doch die Geſetze, die das Judenthum charakteri- ſiren, als bloße Ceremonialgeſetze verwirft. Du biſt erzogen in der Schule des Gedankens, wenn ich ſo ſagen darf, und Dir iſt die Möglichkeit des Glaubens ohne Prüfung dadurch genom- men. Du wirſt hoffentlich ein Menſch wer- den ‚nach dem Herzen Gottes‘, aber Du wirſt niemals Chriſtin ſein, noch Jüdin. Wie wir Juden jetzt in religiöſer Beziehung denken, gibt es keine poſitive Religion mehr, die für uns möglich iſt, und wir theilen mit Tauſenden von Chriſten die Hoffnung, daß eine neue Religion ſich aus den Wirren hervorarbeiten werde, de- ren Lehren nur Nächſtenliebe und Wahrheit, deren Mittelpunkt Gott ſein muß, ohne daß ſie einer myſtiſchen Einhüllung bedürfen wird.“

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/179>, abgerufen am 21.11.2024.