machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu, ihm augenblicklich wehe zu thun.
"Ich habe Jenny sehr lieb", sagte sie, "und die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die sie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmsten Dank. Sie, so klug, so schön und gut, muß der Stolz jeder Mutter sein." -- Reinhard's Gesicht leuchtete vor Freude und ein feuriger Händedruck lohnte seiner Mutter diese Anerken- nung. "Doch", fuhr die Pfarrerin fort, "täusche Dich nicht, Gustav! Jenny hat Fehler, für die sie nicht verantwortlich ist, weil sie gewisser- maßen nationell sind, und die die Mehrzahl der sogenannten gebildeten jüdischen Frauen, mehr oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb- haftigkeit, das südliche Feuer der Juden fällt bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden sind carrikirt. Davon ist der Gebildete frei, die un- ruhige Lebhaftigkeit indessen bleibt ein hervor-
machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu, ihm augenblicklich wehe zu thun.
„Ich habe Jenny ſehr lieb“, ſagte ſie, „und die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die ſie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmſten Dank. Sie, ſo klug, ſo ſchön und gut, muß der Stolz jeder Mutter ſein.“ — Reinhard's Geſicht leuchtete vor Freude und ein feuriger Händedruck lohnte ſeiner Mutter dieſe Anerken- nung. „Doch“, fuhr die Pfarrerin fort, „täuſche Dich nicht, Guſtav! Jenny hat Fehler, für die ſie nicht verantwortlich iſt, weil ſie gewiſſer- maßen nationell ſind, und die die Mehrzahl der ſogenannten gebildeten jüdiſchen Frauen, mehr oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb- haftigkeit, das ſüdliche Feuer der Juden fällt bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden ſind carrikirt. Davon iſt der Gebildete frei, die un- ruhige Lebhaftigkeit indeſſen bleibt ein hervor-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="181"/>
machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu,<lb/>
ihm augenblicklich wehe zu thun.</p><lb/><p>„Ich habe Jenny ſehr lieb“, ſagte ſie, „und<lb/>
die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die<lb/>ſie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmſten<lb/>
Dank. Sie, ſo klug, ſo ſchön und gut, muß<lb/>
der Stolz jeder Mutter ſein.“— Reinhard's<lb/>
Geſicht leuchtete vor Freude und ein feuriger<lb/>
Händedruck lohnte ſeiner Mutter dieſe Anerken-<lb/>
nung. „Doch“, fuhr die Pfarrerin fort, „täuſche<lb/>
Dich nicht, Guſtav! Jenny hat Fehler, für die<lb/>ſie nicht verantwortlich iſt, weil ſie gewiſſer-<lb/>
maßen nationell ſind, und die die Mehrzahl der<lb/>ſogenannten gebildeten jüdiſchen Frauen, mehr<lb/>
oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb-<lb/>
haftigkeit, das ſüdliche Feuer der Juden fällt<lb/>
bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche<lb/>
Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden ſind<lb/>
carrikirt. Davon iſt der Gebildete frei, die un-<lb/>
ruhige Lebhaftigkeit indeſſen bleibt ein hervor-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0193]
machen auf Jenny's Charakter, über die Scheu,
ihm augenblicklich wehe zu thun.
„Ich habe Jenny ſehr lieb“, ſagte ſie, „und
die kindliche Freundlichkeit, die Hingebung, die
ſie mir immer zeigt, verdienen meinen wärmſten
Dank. Sie, ſo klug, ſo ſchön und gut, muß
der Stolz jeder Mutter ſein.“ — Reinhard's
Geſicht leuchtete vor Freude und ein feuriger
Händedruck lohnte ſeiner Mutter dieſe Anerken-
nung. „Doch“, fuhr die Pfarrerin fort, „täuſche
Dich nicht, Guſtav! Jenny hat Fehler, für die
ſie nicht verantwortlich iſt, weil ſie gewiſſer-
maßen nationell ſind, und die die Mehrzahl der
ſogenannten gebildeten jüdiſchen Frauen, mehr
oder weniger alle, mit ihr theilen. Die Leb-
haftigkeit, das ſüdliche Feuer der Juden fällt
bei der Hefe der Nation als eine unerträgliche
Manier auf. Ihr Sprechen, ihre Geberden ſind
carrikirt. Davon iſt der Gebildete frei, die un-
ruhige Lebhaftigkeit indeſſen bleibt ein hervor-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/193>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.