Prunksucht oder Speculation an der Pflege der Blumen Theil haben."
"Gewiß nur da", antwortete sie. "Aber ich kann es nicht genug sagen, wie rührend es mir ist, wenn ich finde, daß auch Andere die Blumen so lieb haben, als ich. Blumen sind eine von den Freuden, die Gott uns Allen be- stimmt hat, und jene Blumenkasten, welche wir oft an den Fenstern der bescheidenen Armuth sehen, thun mir jedesmal wohl.
"Wohl?" fragte Eduard verwundert. "Mir zerreißen sie fast das Herz; und das ist ein Eindruck, der seit meiner ersten Kindheit sich gleich blieb. Ich sehe darin immer den Wunsch nach versagten Genüssen, das Streben, sich ein trauriges Dasein, dessen erdrückende Schwere man empfindet, zu verschönen, oder eine Resig- nation, die mir wehe thut. Wo ich solche Blu- menkasten erblicke, möchte ich unser halbes Treib- haus hinschicken und die Leute bitten, sich nicht
Prunkſucht oder Speculation an der Pflege der Blumen Theil haben.“
„Gewiß nur da“, antwortete ſie. „Aber ich kann es nicht genug ſagen, wie rührend es mir iſt, wenn ich finde, daß auch Andere die Blumen ſo lieb haben, als ich. Blumen ſind eine von den Freuden, die Gott uns Allen be- ſtimmt hat, und jene Blumenkaſten, welche wir oft an den Fenſtern der beſcheidenen Armuth ſehen, thun mir jedesmal wohl.
„Wohl?“ fragte Eduard verwundert. „Mir zerreißen ſie faſt das Herz; und das iſt ein Eindruck, der ſeit meiner erſten Kindheit ſich gleich blieb. Ich ſehe darin immer den Wunſch nach verſagten Genüſſen, das Streben, ſich ein trauriges Daſein, deſſen erdrückende Schwere man empfindet, zu verſchönen, oder eine Reſig- nation, die mir wehe thut. Wo ich ſolche Blu- menkaſten erblicke, möchte ich unſer halbes Treib- haus hinſchicken und die Leute bitten, ſich nicht
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Prunkſucht oder Speculation an der Pflege der
Blumen Theil haben.“
„Gewiß nur da“, antwortete ſie. „Aber
ich kann es nicht genug ſagen, wie rührend es
mir iſt, wenn ich finde, daß auch Andere die
Blumen ſo lieb haben, als ich. Blumen ſind
eine von den Freuden, die Gott uns Allen be-
ſtimmt hat, und jene Blumenkaſten, welche wir
oft an den Fenſtern der beſcheidenen Armuth
ſehen, thun mir jedesmal wohl.
„Wohl?“ fragte Eduard verwundert. „Mir
zerreißen ſie faſt das Herz; und das iſt ein
Eindruck, der ſeit meiner erſten Kindheit ſich
gleich blieb. Ich ſehe darin immer den Wunſch
nach verſagten Genüſſen, das Streben, ſich ein
trauriges Daſein, deſſen erdrückende Schwere
man empfindet, zu verſchönen, oder eine Reſig-
nation, die mir wehe thut. Wo ich ſolche Blu-
menkaſten erblicke, möchte ich unſer halbes Treib-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/214>, abgerufen am 24.11.2024.
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