so traurig zu begnügen, von dem zu genießen, was wir im Ueberfluß besitzen."
"Aber die Leute haben doch Freude an ih- rem kleinen Besitz", wandte Clara ein, "eben so viel Freude, als der Reiche an seinen schön- sten Treibhäusern nur zu haben vermag."
"Glauben Sie nicht, Fräulein, daß ich diese Treibhäuser und Treibhauspflanzen liebe!" sagte Eduard lebhaft. "Es liegt etwas Unnatürliches in der Farbenpracht und dem Duft dieser er- künstelten Vegetation, das mich ebenso unan- genehm berührt, als die Bewegung der freien Thiere des Waldes in den engen Käfigen ei- ner Menagerie. Für mich ist alles Geschaffene nur schön an dem Ort, für den es geschaffen. Ich vermag es zu bewundern, wo ich es finde, aber es freut mich nicht, sobald man es von seinem Platze entfernt. Auf die Gefahr hin, Ihnen zu widersprechen, bekenne ich, mir er- scheint die Zusammenstellung einer Masse von
ſo traurig zu begnügen, von dem zu genießen, was wir im Ueberfluß beſitzen.“
„Aber die Leute haben doch Freude an ih- rem kleinen Beſitz“, wandte Clara ein, „eben ſo viel Freude, als der Reiche an ſeinen ſchön- ſten Treibhäuſern nur zu haben vermag.“
„Glauben Sie nicht, Fräulein, daß ich dieſe Treibhäuſer und Treibhauspflanzen liebe!“ ſagte Eduard lebhaft. „Es liegt etwas Unnatürliches in der Farbenpracht und dem Duft dieſer er- künſtelten Vegetation, das mich ebenſo unan- genehm berührt, als die Bewegung der freien Thiere des Waldes in den engen Käfigen ei- ner Menagerie. Für mich iſt alles Geſchaffene nur ſchön an dem Ort, für den es geſchaffen. Ich vermag es zu bewundern, wo ich es finde, aber es freut mich nicht, ſobald man es von ſeinem Platze entfernt. Auf die Gefahr hin, Ihnen zu widerſprechen, bekenne ich, mir er- ſcheint die Zuſammenſtellung einer Maſſe von
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[203/0215]
ſo traurig zu begnügen, von dem zu genießen,
was wir im Ueberfluß beſitzen.“
„Aber die Leute haben doch Freude an ih-
rem kleinen Beſitz“, wandte Clara ein, „eben
ſo viel Freude, als der Reiche an ſeinen ſchön-
ſten Treibhäuſern nur zu haben vermag.“
„Glauben Sie nicht, Fräulein, daß ich dieſe
Treibhäuſer und Treibhauspflanzen liebe!“ ſagte
Eduard lebhaft. „Es liegt etwas Unnatürliches
in der Farbenpracht und dem Duft dieſer er-
künſtelten Vegetation, das mich ebenſo unan-
genehm berührt, als die Bewegung der freien
Thiere des Waldes in den engen Käfigen ei-
ner Menagerie. Für mich iſt alles Geſchaffene
nur ſchön an dem Ort, für den es geſchaffen.
Ich vermag es zu bewundern, wo ich es finde,
aber es freut mich nicht, ſobald man es von
ſeinem Platze entfernt. Auf die Gefahr hin,
Ihnen zu widerſprechen, bekenne ich, mir er-
ſcheint die Zuſammenſtellung einer Maſſe von
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/215>, abgerufen am 21.11.2024.
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