Clara ihm erzeigt, indem sie seine Einladung angenommen. "Ehre?" seufzte Clara, obgleich Eduard das Wort nur zufällig und achtlos ge- wählt, "Ehre? -- Ach mein Gott! --"
Auch William war der Schluß der Unter- haltung unangenehm, mindestens peinlich gewe- sen. "Es ist Schade", sagte er, "daß man mit Eduard so gar vorsichtig sein muß, weil man nur zu leicht diese Saite seines Gemüthes be- rührt, die ewig in Klagetönen erklingt, in Dissonanzen, für die es nun einmal noch keine Auflösung gibt. Oft thut es mir leid; aber man ist nicht immer dazu geneigt, über unab- änderliche Verhältnisse zu sprechen und Theil an ihnen zu nehmen; man will nicht immer Mitleid haben."
"Mitleid", fiel Clara ein, stolz aus der Seele des Geliebten antwortend, "Mitleid ver- langt gewiß Niemand weniger, als Doctor Meier. Er will sein Recht, ein Recht, das
Clara ihm erzeigt, indem ſie ſeine Einladung angenommen. „Ehre?“ ſeufzte Clara, obgleich Eduard das Wort nur zufällig und achtlos ge- wählt, „Ehre? — Ach mein Gott! —“
Auch William war der Schluß der Unter- haltung unangenehm, mindeſtens peinlich gewe- ſen. „Es iſt Schade“, ſagte er, „daß man mit Eduard ſo gar vorſichtig ſein muß, weil man nur zu leicht dieſe Saite ſeines Gemüthes be- rührt, die ewig in Klagetönen erklingt, in Diſſonanzen, für die es nun einmal noch keine Auflöſung gibt. Oft thut es mir leid; aber man iſt nicht immer dazu geneigt, über unab- änderliche Verhältniſſe zu ſprechen und Theil an ihnen zu nehmen; man will nicht immer Mitleid haben.“
„Mitleid“, fiel Clara ein, ſtolz aus der Seele des Geliebten antwortend, „Mitleid ver- langt gewiß Niemand weniger, als Doctor Meier. Er will ſein Recht, ein Recht, das
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Clara ihm erzeigt, indem ſie ſeine Einladung
angenommen. „Ehre?“ ſeufzte Clara, obgleich
Eduard das Wort nur zufällig und achtlos ge-
wählt, „Ehre? — Ach mein Gott! —“
Auch William war der Schluß der Unter-
haltung unangenehm, mindeſtens peinlich gewe-
ſen. „Es iſt Schade“, ſagte er, „daß man mit
Eduard ſo gar vorſichtig ſein muß, weil man
nur zu leicht dieſe Saite ſeines Gemüthes be-
rührt, die ewig in Klagetönen erklingt, in
Diſſonanzen, für die es nun einmal noch keine
Auflöſung gibt. Oft thut es mir leid; aber
man iſt nicht immer dazu geneigt, über unab-
änderliche Verhältniſſe zu ſprechen und Theil
an ihnen zu nehmen; man will nicht immer
Mitleid haben.“
„Mitleid“, fiel Clara ein, ſtolz aus der
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langt gewiß Niemand weniger, als Doctor
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/224>, abgerufen am 21.11.2024.
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