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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Länger als bis zum folgenden Abende konnte
Reinhard es nicht ertragen, von Jenny entfernt
zu sein. Mit seiner Mutter hatte er seit ihrer
letzten Unterhaltung keine Silbe über seine Liebe
gesprochen; ein ängstliches, vorsichtiges Schwei-
gen hatte zwischen Mutter und Sohn geherrscht,
die sonst in innigster Mittheilung zu leben ge-
wohnt waren. Da schlug am Abend des zwei-
ten Tages die alte Uhr des Wohnzimmers sieben
heisere Schläge, und die Pfarrerin hörte, wie
Reinhard den Stuhl vom Schreibtisch schob,
schnell in seinem Zimmer umherging, und sah
ihn wenige Augenblicke darauf, zum Ausgehen
gerüstet, bei sich eintreten.

"Gehst Du aus, mein Sohn?" fragte die
Pfarrerin.

"Ja, Mutter! ich will zu Meiers", ant-
wortete er ihr. Die Pfarrerin schwieg. Da
bog sich Reinhard zu ihr nieder, und sagte
schmeichelnd: "Gib Deinem Sohne nur einen

Länger als bis zum folgenden Abende konnte
Reinhard es nicht ertragen, von Jenny entfernt
zu ſein. Mit ſeiner Mutter hatte er ſeit ihrer
letzten Unterhaltung keine Silbe über ſeine Liebe
geſprochen; ein ängſtliches, vorſichtiges Schwei-
gen hatte zwiſchen Mutter und Sohn geherrſcht,
die ſonſt in innigſter Mittheilung zu leben ge-
wohnt waren. Da ſchlug am Abend des zwei-
ten Tages die alte Uhr des Wohnzimmers ſieben
heiſere Schläge, und die Pfarrerin hörte, wie
Reinhard den Stuhl vom Schreibtiſch ſchob,
ſchnell in ſeinem Zimmer umherging, und ſah
ihn wenige Augenblicke darauf, zum Ausgehen
gerüſtet, bei ſich eintreten.

„Gehſt Du aus, mein Sohn?“ fragte die
Pfarrerin.

„Ja, Mutter! ich will zu Meiers“, ant-
wortete er ihr. Die Pfarrerin ſchwieg. Da
bog ſich Reinhard zu ihr nieder, und ſagte
ſchmeichelnd: „Gib Deinem Sohne nur einen

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[214/0226] Länger als bis zum folgenden Abende konnte Reinhard es nicht ertragen, von Jenny entfernt zu ſein. Mit ſeiner Mutter hatte er ſeit ihrer letzten Unterhaltung keine Silbe über ſeine Liebe geſprochen; ein ängſtliches, vorſichtiges Schwei- gen hatte zwiſchen Mutter und Sohn geherrſcht, die ſonſt in innigſter Mittheilung zu leben ge- wohnt waren. Da ſchlug am Abend des zwei- ten Tages die alte Uhr des Wohnzimmers ſieben heiſere Schläge, und die Pfarrerin hörte, wie Reinhard den Stuhl vom Schreibtiſch ſchob, ſchnell in ſeinem Zimmer umherging, und ſah ihn wenige Augenblicke darauf, zum Ausgehen gerüſtet, bei ſich eintreten. „Gehſt Du aus, mein Sohn?“ fragte die Pfarrerin. „Ja, Mutter! ich will zu Meiers“, ant- wortete er ihr. Die Pfarrerin ſchwieg. Da bog ſich Reinhard zu ihr nieder, und ſagte ſchmeichelnd: „Gib Deinem Sohne nur einen

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/226>, abgerufen am 21.11.2024.