allein fand und über ihr früheres Zusammen- treffen an jenem Abend versöhnend zu sprechen begann, gab ihm Joseph die Hand und sagte: "Machen Sie das Kind so glücklich, daß ich nie den Vorzug bedaure, den sie Ihnen gege- ben; dann ist weiter nichts darüber zu sagen." -- Eduard allein war wehmütig gestimmt. Das Glück, dessen Zeuge er war, rief die leb- hafteste Sehnsucht nach gleicher Wonne in ihm hervor und aufs Neue begann der Kampf in ihm, den seit Monden seine Liebe und sein Gewissen führten. -- Am sonderbarsten er- schien Therese in der allgemeinen Freude. Es kam ihr vor, als ob Jenny's Glück allein ihr Werk sei; sie gab sich das Ansehen einer Be- schützerin und that so verständig und altklug, daß die Andern nicht aufhören konnten, darüber zu lachen.
"Lacht nur immerfort", sagte sie mit Stolz, "wäre ich Euch an jenem unglücklichen Probe-
allein fand und über ihr früheres Zuſammen- treffen an jenem Abend verſöhnend zu ſprechen begann, gab ihm Joſeph die Hand und ſagte: „Machen Sie das Kind ſo glücklich, daß ich nie den Vorzug bedaure, den ſie Ihnen gege- ben; dann iſt weiter nichts darüber zu ſagen.“ — Eduard allein war wehmütig geſtimmt. Das Glück, deſſen Zeuge er war, rief die leb- hafteſte Sehnſucht nach gleicher Wonne in ihm hervor und aufs Neue begann der Kampf in ihm, den ſeit Monden ſeine Liebe und ſein Gewiſſen führten. — Am ſonderbarſten er- ſchien Thereſe in der allgemeinen Freude. Es kam ihr vor, als ob Jenny's Glück allein ihr Werk ſei; ſie gab ſich das Anſehen einer Be- ſchützerin und that ſo verſtändig und altklug, daß die Andern nicht aufhören konnten, darüber zu lachen.
„Lacht nur immerfort“, ſagte ſie mit Stolz, „wäre ich Euch an jenem unglücklichen Probe-
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allein fand und über ihr früheres Zuſammen-
treffen an jenem Abend verſöhnend zu ſprechen
begann, gab ihm Joſeph die Hand und ſagte:
„Machen Sie das Kind ſo glücklich, daß ich
nie den Vorzug bedaure, den ſie Ihnen gege-
ben; dann iſt weiter nichts darüber zu ſagen.“
— Eduard allein war wehmütig geſtimmt.
Das Glück, deſſen Zeuge er war, rief die leb-
hafteſte Sehnſucht nach gleicher Wonne in ihm
hervor und aufs Neue begann der Kampf in
ihm, den ſeit Monden ſeine Liebe und ſein
Gewiſſen führten. — Am ſonderbarſten er-
ſchien Thereſe in der allgemeinen Freude. Es
kam ihr vor, als ob Jenny's Glück allein ihr
Werk ſei; ſie gab ſich das Anſehen einer Be-
ſchützerin und that ſo verſtändig und altklug,
daß die Andern nicht aufhören konnten, darüber
zu lachen.
„Lacht nur immerfort“, ſagte ſie mit Stolz,
„wäre ich Euch an jenem unglücklichen Probe-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/258>, abgerufen am 23.11.2024.
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