Sinne hatte er sein Amt behalten und verwal- tet. Er hatte von ganzem Herzen darnach ge- trachtet, unter seiner Gemeinde die Lehre Jesu in ihrer moralischen Reinheit zu verbreiten, und auch die Form heilig geehrt, in der diese Lehre uns übergeben, ohne jedoch Diejenigen fana- tisch zu verdammen, die sich ausschließlich an den Geist hielten. Diese bekannte Gesinnung hatte Herrn Meier bewogen, ihn zu Jenny's Lehrer zu wählen, womit Reinhard, nur auf Zureden seiner Mutter, sich einverstanden er- klärte.
Der Unterricht begann und der Pastor mußte natürlich sein erstes Augenmerk gegen die pantheistische Weltanschauung richten, in der Jenny, ohne es zu ahnen, erwachsen, und in welcher die dichterische, gewissermaßen heid- nische Vorstellung der Gottheit ihr lieb gewor- den war. Es erfreute sie, Gott zu sehen in Allem, was sie umgab, und obgleich sie sich
Sinne hatte er ſein Amt behalten und verwal- tet. Er hatte von ganzem Herzen darnach ge- trachtet, unter ſeiner Gemeinde die Lehre Jeſu in ihrer moraliſchen Reinheit zu verbreiten, und auch die Form heilig geehrt, in der dieſe Lehre uns übergeben, ohne jedoch Diejenigen fana- tiſch zu verdammen, die ſich ausſchließlich an den Geiſt hielten. Dieſe bekannte Geſinnung hatte Herrn Meier bewogen, ihn zu Jenny's Lehrer zu wählen, womit Reinhard, nur auf Zureden ſeiner Mutter, ſich einverſtanden er- klärte.
Der Unterricht begann und der Paſtor mußte natürlich ſein erſtes Augenmerk gegen die pantheiſtiſche Weltanſchauung richten, in der Jenny, ohne es zu ahnen, erwachſen, und in welcher die dichteriſche, gewiſſermaßen heid- niſche Vorſtellung der Gottheit ihr lieb gewor- den war. Es erfreute ſie, Gott zu ſehen in Allem, was ſie umgab, und obgleich ſie ſich
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Sinne hatte er ſein Amt behalten und verwal-
tet. Er hatte von ganzem Herzen darnach ge-
trachtet, unter ſeiner Gemeinde die Lehre Jeſu
in ihrer moraliſchen Reinheit zu verbreiten, und
auch die Form heilig geehrt, in der dieſe Lehre
uns übergeben, ohne jedoch Diejenigen fana-
tiſch zu verdammen, die ſich ausſchließlich an
den Geiſt hielten. Dieſe bekannte Geſinnung
hatte Herrn Meier bewogen, ihn zu Jenny's
Lehrer zu wählen, womit Reinhard, nur auf
Zureden ſeiner Mutter, ſich einverſtanden er-
klärte.
Der Unterricht begann und der Paſtor
mußte natürlich ſein erſtes Augenmerk gegen
die pantheiſtiſche Weltanſchauung richten, in
der Jenny, ohne es zu ahnen, erwachſen, und
in welcher die dichteriſche, gewiſſermaßen heid-
niſche Vorſtellung der Gottheit ihr lieb gewor-
den war. Es erfreute ſie, Gott zu ſehen in
Allem, was ſie umgab, und obgleich ſie ſich
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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