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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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zu der reinen Anschauung Gottes im Geiste zu
erheben vermochte, hatte sie oft die heitere Zeit
des griechischen Alterthums zurückgewünscht, in
der es den Menschen möglich war, sich die
Gottheit als unter ihnen wandelnd zu denken.
Viel leichter als mit Reinhard konnte sie sich
mit ihrem jetzigen Lehrer verständigen; und es
gewährte ihr in der ersten Zeit eine unbeschreib-
liche innere Freudigkeit, zu sehen, daß sich ihr
Verstand mit Ueberzeugung den Lehren an-
schließen könne, die man ihr bot; doch bald
sollte es anders werden. Hatte sie sich geistig
spielend an den Göttern der Vorzeit erfreut,
so widerstrebte der Gedanke an die Mensch-
werdung Gottes, nun sie ihn als Bekenntniß
annehmen sollte, ihrem Verstande. Die Er-
lösung, Genugthuung und Versöhnung durch
Christus kamen ihr wie grobe, sinnliche Be-
griffe vor, die weder auf einen Geist, noch auf
das Verhältniß eines Vaters zu seinen Kindern

zu der reinen Anſchauung Gottes im Geiſte zu
erheben vermochte, hatte ſie oft die heitere Zeit
des griechiſchen Alterthums zurückgewünſcht, in
der es den Menſchen möglich war, ſich die
Gottheit als unter ihnen wandelnd zu denken.
Viel leichter als mit Reinhard konnte ſie ſich
mit ihrem jetzigen Lehrer verſtändigen; und es
gewährte ihr in der erſten Zeit eine unbeſchreib-
liche innere Freudigkeit, zu ſehen, daß ſich ihr
Verſtand mit Ueberzeugung den Lehren an-
ſchließen könne, die man ihr bot; doch bald
ſollte es anders werden. Hatte ſie ſich geiſtig
ſpielend an den Göttern der Vorzeit erfreut,
ſo widerſtrebte der Gedanke an die Menſch-
werdung Gottes, nun ſie ihn als Bekenntniß
annehmen ſollte, ihrem Verſtande. Die Er-
löſung, Genugthuung und Verſöhnung durch
Chriſtus kamen ihr wie grobe, ſinnliche Be-
griffe vor, die weder auf einen Geiſt, noch auf
das Verhältniß eines Vaters zu ſeinen Kindern

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[308/0316] zu der reinen Anſchauung Gottes im Geiſte zu erheben vermochte, hatte ſie oft die heitere Zeit des griechiſchen Alterthums zurückgewünſcht, in der es den Menſchen möglich war, ſich die Gottheit als unter ihnen wandelnd zu denken. Viel leichter als mit Reinhard konnte ſie ſich mit ihrem jetzigen Lehrer verſtändigen; und es gewährte ihr in der erſten Zeit eine unbeſchreib- liche innere Freudigkeit, zu ſehen, daß ſich ihr Verſtand mit Ueberzeugung den Lehren an- ſchließen könne, die man ihr bot; doch bald ſollte es anders werden. Hatte ſie ſich geiſtig ſpielend an den Göttern der Vorzeit erfreut, ſo widerſtrebte der Gedanke an die Menſch- werdung Gottes, nun ſie ihn als Bekenntniß annehmen ſollte, ihrem Verſtande. Die Er- löſung, Genugthuung und Verſöhnung durch Chriſtus kamen ihr wie grobe, ſinnliche Be- griffe vor, die weder auf einen Geiſt, noch auf das Verhältniß eines Vaters zu ſeinen Kindern

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/316>, abgerufen am 22.11.2024.