vorkommend ihm überall begegnet wird, und wie sehr man für ihn eingenommen ist!"
"Ich weiß es wohl, und es freut mich, daß er sich diese Stellung errungen, aber ebenso wohl weiß ich, daß es jener ganzen Clique ge- wiß die höchste Ueberwindung gekostet hat, den jüdischen Arzt in ihre engern Kreise zu ziehen. Sie entschuldigen sich vor sich selbst mit dem Nutzen, den er ihnen gewährt, und doch, wer weiß, ob Eduard überall den gleichen Empfang fände, wenn er sich mit einer Jüdin verheira- thete, und für seine Frau dieselben Rücksichten verlangte, als für sich? Den einzelnen jungen Mann nehmen sie allenfalls gern auf. Eine Familie? da würden sie vielleicht Bedenken haben."
"Das glaube ich nicht", sagte die Mutter, "im Gegentheil, ich bin überzeugt, daß Eduard nur zu werben braucht, um eine Frau, aus welchem christlichen Hause er wollte, zu bekom-
vorkommend ihm überall begegnet wird, und wie ſehr man für ihn eingenommen iſt!“
„Ich weiß es wohl, und es freut mich, daß er ſich dieſe Stellung errungen, aber ebenſo wohl weiß ich, daß es jener ganzen Clique ge- wiß die höchſte Ueberwindung gekoſtet hat, den jüdiſchen Arzt in ihre engern Kreiſe zu ziehen. Sie entſchuldigen ſich vor ſich ſelbſt mit dem Nutzen, den er ihnen gewährt, und doch, wer weiß, ob Eduard überall den gleichen Empfang fände, wenn er ſich mit einer Jüdin verheira- thete, und für ſeine Frau dieſelben Rückſichten verlangte, als für ſich? Den einzelnen jungen Mann nehmen ſie allenfalls gern auf. Eine Familie? da würden ſie vielleicht Bedenken haben.“
„Das glaube ich nicht“, ſagte die Mutter, „im Gegentheil, ich bin überzeugt, daß Eduard nur zu werben braucht, um eine Frau, aus welchem chriſtlichen Hauſe er wollte, zu bekom-
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vorkommend ihm überall begegnet wird, und
wie ſehr man für ihn eingenommen iſt!“
„Ich weiß es wohl, und es freut mich, daß
er ſich dieſe Stellung errungen, aber ebenſo
wohl weiß ich, daß es jener ganzen Clique ge-
wiß die höchſte Ueberwindung gekoſtet hat, den
jüdiſchen Arzt in ihre engern Kreiſe zu ziehen.
Sie entſchuldigen ſich vor ſich ſelbſt mit dem
Nutzen, den er ihnen gewährt, und doch, wer
weiß, ob Eduard überall den gleichen Empfang
fände, wenn er ſich mit einer Jüdin verheira-
thete, und für ſeine Frau dieſelben Rückſichten
verlangte, als für ſich? Den einzelnen jungen
Mann nehmen ſie allenfalls gern auf. Eine
Familie? da würden ſie vielleicht Bedenken
haben.“
„Das glaube ich nicht“, ſagte die Mutter,
„im Gegentheil, ich bin überzeugt, daß Eduard
nur zu werben braucht, um eine Frau, aus
welchem chriſtlichen Hauſe er wollte, zu bekom-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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