Verhältnisse zu führen. Er warf es sich vor, ihr Unrecht gethan zu haben; er sah es nun selbst ein und nahm sich vor, ihr bei nächster Gelegenheit den Mangel an Zutrauen zu be- kennen, den er in dieser Beziehung zu ihr ge- habt habe. Er empfand sich auf dem Gipfel des Glückes, denn heute waren Herz und Ver- stand gleich befriedigt durch Jenny; er hatte keinen Wunsch, als daß es stets so bliebe; und auch davon war er überzeugt.
Als sie nun so in friedlicher Stille beisam- men waren, klopfte es an die Thür. Rein- hard ging, um zu öffnen, und trat bald darauf mit einem Briefe in der Hand wie- der bei ihnen ein, den er, nachdem er ihn schnell durchlesen, seiner Braut mit den Wor- ten reichte: "Nun endlich, meine Jenny! lies, o, lies nur!"
Doch hinderte er selbst sie daran, indem er mit Entzücken erzählte, wie dieser Brief ihm
Verhältniſſe zu führen. Er warf es ſich vor, ihr Unrecht gethan zu haben; er ſah es nun ſelbſt ein und nahm ſich vor, ihr bei nächſter Gelegenheit den Mangel an Zutrauen zu be- kennen, den er in dieſer Beziehung zu ihr ge- habt habe. Er empfand ſich auf dem Gipfel des Glückes, denn heute waren Herz und Ver- ſtand gleich befriedigt durch Jenny; er hatte keinen Wunſch, als daß es ſtets ſo bliebe; und auch davon war er überzeugt.
Als ſie nun ſo in friedlicher Stille beiſam- men waren, klopfte es an die Thür. Rein- hard ging, um zu öffnen, und trat bald darauf mit einem Briefe in der Hand wie- der bei ihnen ein, den er, nachdem er ihn ſchnell durchleſen, ſeiner Braut mit den Wor- ten reichte: „Nun endlich, meine Jenny! lies, o, lies nur!“
Doch hinderte er ſelbſt ſie daran, indem er mit Entzücken erzählte, wie dieſer Brief ihm
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Verhältniſſe zu führen. Er warf es ſich vor,
ihr Unrecht gethan zu haben; er ſah es nun
ſelbſt ein und nahm ſich vor, ihr bei nächſter
Gelegenheit den Mangel an Zutrauen zu be-
kennen, den er in dieſer Beziehung zu ihr ge-
habt habe. Er empfand ſich auf dem Gipfel
des Glückes, denn heute waren Herz und Ver-
ſtand gleich befriedigt durch Jenny; er hatte
keinen Wunſch, als daß es ſtets ſo bliebe; und
auch davon war er überzeugt.
Als ſie nun ſo in friedlicher Stille beiſam-
men waren, klopfte es an die Thür. Rein-
hard ging, um zu öffnen, und trat bald
darauf mit einem Briefe in der Hand wie-
der bei ihnen ein, den er, nachdem er ihn
ſchnell durchleſen, ſeiner Braut mit den Wor-
ten reichte: „Nun endlich, meine Jenny! lies,
o, lies nur!“
Doch hinderte er ſelbſt ſie daran, indem er
mit Entzücken erzählte, wie dieſer Brief ihm
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/337>, abgerufen am 22.11.2024.
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