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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Rollen ihres Wagens hörte und von der Pfar-
rerin Abschied nahm, die sie mit ängstlicher
Sorgfalt in den Mantel hüllte und noch ein
Tuch hinzufügen wollte, damit sich Jenny
nicht erkälte.

"Nein, nein, Mütterchen! Ich bedarf all'
dessen nicht; ich gehe ja nicht, ich fahre nach
Hause!" sagte sie mit einer Art von Wonne,
die ihr selbst sehr komisch vorkam, als sie an
Reinhard's Arm die Treppe hinunterging, der
sie im Wagen nach Hause begleiten wollte, wo
sie die Ihrigen noch beim Thee zu finden und
ein Stündchen mit ihnen zusammen zu bleiben
hoffte. Nun, als der Diener den Fußtritt her-
unterschlug, sie gewandt beim Einsteigen unter-
stützte und dann die Thür zumachte; als Rein-
hard das Fenster in die Höhe zog und sie an
seiner Seite, bequem und warm, dahinflog,
drückte sie sich mit einer nie gekannten Wollust
in die seidenen Kissen. Ihre ganze geistige

Rollen ihres Wagens hörte und von der Pfar-
rerin Abſchied nahm, die ſie mit ängſtlicher
Sorgfalt in den Mantel hüllte und noch ein
Tuch hinzufügen wollte, damit ſich Jenny
nicht erkälte.

„Nein, nein, Mütterchen! Ich bedarf all'
deſſen nicht; ich gehe ja nicht, ich fahre nach
Hauſe!“ ſagte ſie mit einer Art von Wonne,
die ihr ſelbſt ſehr komiſch vorkam, als ſie an
Reinhard's Arm die Treppe hinunterging, der
ſie im Wagen nach Hauſe begleiten wollte, wo
ſie die Ihrigen noch beim Thee zu finden und
ein Stündchen mit ihnen zuſammen zu bleiben
hoffte. Nun, als der Diener den Fußtritt her-
unterſchlug, ſie gewandt beim Einſteigen unter-
ſtützte und dann die Thür zumachte; als Rein-
hard das Fenſter in die Höhe zog und ſie an
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[332/0340] Rollen ihres Wagens hörte und von der Pfar- rerin Abſchied nahm, die ſie mit ängſtlicher Sorgfalt in den Mantel hüllte und noch ein Tuch hinzufügen wollte, damit ſich Jenny nicht erkälte. „Nein, nein, Mütterchen! Ich bedarf all' deſſen nicht; ich gehe ja nicht, ich fahre nach Hauſe!“ ſagte ſie mit einer Art von Wonne, die ihr ſelbſt ſehr komiſch vorkam, als ſie an Reinhard's Arm die Treppe hinunterging, der ſie im Wagen nach Hauſe begleiten wollte, wo ſie die Ihrigen noch beim Thee zu finden und ein Stündchen mit ihnen zuſammen zu bleiben hoffte. Nun, als der Diener den Fußtritt her- unterſchlug, ſie gewandt beim Einſteigen unter- ſtützte und dann die Thür zumachte; als Rein- hard das Fenſter in die Höhe zog und ſie an ſeiner Seite, bequem und warm, dahinflog, drückte ſie ſich mit einer nie gekannten Wolluſt in die ſeidenen Kiſſen. Ihre ganze geiſtige

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/340>, abgerufen am 22.11.2024.