Der Vater drückte ihm die Hand und fragte: "Und jetzt?"
"Jetzt", antwortete er, "sehe ich, daß die Wirklichkeit auch gegen die tiefsten, heiligsten Gefühle ihr Recht geltend macht. Ich sehe ein, daß Jenny nicht in der Lage leben kann, die meine Einnahme allein möglich macht, und bin sehr unglücklich darüber, mich mit einem Luxus umgeben zu sollen, der andererseits auch für mich nicht paßt."
"Davon ist nicht die Rede", sagte der Va- ter begütigend. "Es kann meine Absicht nicht sein, Sie in Verhältnisse zu bringen, die un- passend für ihren Beruf sind. Nur das sollen Sie annehmen, daß ich Jenny eine Mitgift gebe, die Ihrer Einnahme so viel hinzufügt, als nöthig, um sie dem besten Pfarrergehalte im Lande gleich zu machen; und dagegen kön- nen Sie nichts einwenden. Ich achte den
Der Vater drückte ihm die Hand und fragte: „Und jetzt?“
„Jetzt“, antwortete er, „ſehe ich, daß die Wirklichkeit auch gegen die tiefſten, heiligſten Gefühle ihr Recht geltend macht. Ich ſehe ein, daß Jenny nicht in der Lage leben kann, die meine Einnahme allein möglich macht, und bin ſehr unglücklich darüber, mich mit einem Luxus umgeben zu ſollen, der andererſeits auch für mich nicht paßt.“
„Davon iſt nicht die Rede“, ſagte der Va- ter begütigend. „Es kann meine Abſicht nicht ſein, Sie in Verhältniſſe zu bringen, die un- paſſend für ihren Beruf ſind. Nur das ſollen Sie annehmen, daß ich Jenny eine Mitgift gebe, die Ihrer Einnahme ſo viel hinzufügt, als nöthig, um ſie dem beſten Pfarrergehalte im Lande gleich zu machen; und dagegen kön- nen Sie nichts einwenden. Ich achte den
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Der Vater drückte ihm die Hand und fragte:
„Und jetzt?“
„Jetzt“, antwortete er, „ſehe ich, daß die
Wirklichkeit auch gegen die tiefſten, heiligſten
Gefühle ihr Recht geltend macht. Ich ſehe
ein, daß Jenny nicht in der Lage leben kann,
die meine Einnahme allein möglich macht, und
bin ſehr unglücklich darüber, mich mit einem
Luxus umgeben zu ſollen, der andererſeits
auch für mich nicht paßt.“
„Davon iſt nicht die Rede“, ſagte der Va-
ter begütigend. „Es kann meine Abſicht nicht
ſein, Sie in Verhältniſſe zu bringen, die un-
paſſend für ihren Beruf ſind. Nur das ſollen
Sie annehmen, daß ich Jenny eine Mitgift
gebe, die Ihrer Einnahme ſo viel hinzufügt,
als nöthig, um ſie dem beſten Pfarrergehalte
im Lande gleich zu machen; und dagegen kön-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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