nicht verstanden? So kann und soll es wie- der werden! Man sagt, der Strom, der die Dämme durchbrach, könne niemals wieder von selbst in jene Schranken zurückkehren; das mag sein. Wo aber die Schranke allein Zuflucht vor gänzlichem Verarmen zu geben vermag, da muß man sie aufs Neue erbauen, sich hinter sie flüchten, um das einzige Gut zu behalten, das uns geblieben."
"Schreiben Sie mir nicht mehr, das kann nicht sein. Lassen Sie uns versuchen, die Er- eignisse des gestrigen Tages im tiefsten Grunde des Herzens zu bergen. So allein -- und ich rechne auf Sie, als ob Sie es mir mit dem heiligsten Eide gelobt -- dürfen wir uns wie- dersehen. Sie, Eduard, sollen mich schützen vor der Gewalt unserer Liebe; Ihrem starken Willen vertraue ich mich an. Nur ein paar Tage der Einsamkeit gönnen Sie mir, mich zu gewöhnen an das schwere Loos, das uns ge-
nicht verſtanden? So kann und ſoll es wie- der werden! Man ſagt, der Strom, der die Dämme durchbrach, könne niemals wieder von ſelbſt in jene Schranken zurückkehren; das mag ſein. Wo aber die Schranke allein Zuflucht vor gänzlichem Verarmen zu geben vermag, da muß man ſie aufs Neue erbauen, ſich hinter ſie flüchten, um das einzige Gut zu behalten, das uns geblieben.“
„Schreiben Sie mir nicht mehr, das kann nicht ſein. Laſſen Sie uns verſuchen, die Er- eigniſſe des geſtrigen Tages im tiefſten Grunde des Herzens zu bergen. So allein — und ich rechne auf Sie, als ob Sie es mir mit dem heiligſten Eide gelobt — dürfen wir uns wie- derſehen. Sie, Eduard, ſollen mich ſchützen vor der Gewalt unſerer Liebe; Ihrem ſtarken Willen vertraue ich mich an. Nur ein paar Tage der Einſamkeit gönnen Sie mir, mich zu gewöhnen an das ſchwere Loos, das uns ge-
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nicht verſtanden? So kann und ſoll es wie-
der werden! Man ſagt, der Strom, der die
Dämme durchbrach, könne niemals wieder von
ſelbſt in jene Schranken zurückkehren; das mag
ſein. Wo aber die Schranke allein Zuflucht
vor gänzlichem Verarmen zu geben vermag, da
muß man ſie aufs Neue erbauen, ſich hinter
ſie flüchten, um das einzige Gut zu behalten,
das uns geblieben.“
„Schreiben Sie mir nicht mehr, das kann
nicht ſein. Laſſen Sie uns verſuchen, die Er-
eigniſſe des geſtrigen Tages im tiefſten Grunde
des Herzens zu bergen. So allein — und ich
rechne auf Sie, als ob Sie es mir mit dem
heiligſten Eide gelobt — dürfen wir uns wie-
derſehen. Sie, Eduard, ſollen mich ſchützen
vor der Gewalt unſerer Liebe; Ihrem ſtarken
Willen vertraue ich mich an. Nur ein paar
Tage der Einſamkeit gönnen Sie mir, mich zu
gewöhnen an das ſchwere Loos, das uns ge-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/383>, abgerufen am 24.11.2024.
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