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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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der Hand über die Stirne, als wenn sie einen
Gedanken verbannen wollte, der ihr unvermu-
thet aufgestiegen wäre.

Steinheim gesellte sich gleich nach There-
sens Entfernung zu den beiden Andern, und
machte die Bemerkung, Fräulein Therese ge-
wöhne sich seit einiger Zeit einen gewissen pe-
dantischen Ton an, der sonst nur Gouvernan-
ten eigen zu sein pflegte. "Sie will immer
Alles besser wissen", sagte er, "immer beleh-
ren, man merkt die Absicht und man wird
verstimmt."

"Es ist so böse nicht gemeint", entschul-
digte Jenny, "sie glaubt nur, mich erziehen
zu müssen, weil meine Eltern und Reinhard
selbst sie mir früher oft als Beispiel aufgestellt
haben. Zu dem hält sie sich meinem Bräuti-
gam für den Unterricht verpflichtet, den er uns
gegeben, und möchte, glaube ich, aus Dankbar-

der Hand über die Stirne, als wenn ſie einen
Gedanken verbannen wollte, der ihr unvermu-
thet aufgeſtiegen wäre.

Steinheim geſellte ſich gleich nach There-
ſens Entfernung zu den beiden Andern, und
machte die Bemerkung, Fräulein Thereſe ge-
wöhne ſich ſeit einiger Zeit einen gewiſſen pe-
dantiſchen Ton an, der ſonſt nur Gouvernan-
ten eigen zu ſein pflegte. „Sie will immer
Alles beſſer wiſſen“, ſagte er, „immer beleh-
ren, man merkt die Abſicht und man wird
verſtimmt.“

„Es iſt ſo böſe nicht gemeint“, entſchul-
digte Jenny, „ſie glaubt nur, mich erziehen
zu müſſen, weil meine Eltern und Reinhard
ſelbſt ſie mir früher oft als Beiſpiel aufgeſtellt
haben. Zu dem hält ſie ſich meinem Bräuti-
gam für den Unterricht verpflichtet, den er uns
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[396/0404] der Hand über die Stirne, als wenn ſie einen Gedanken verbannen wollte, der ihr unvermu- thet aufgeſtiegen wäre. Steinheim geſellte ſich gleich nach There- ſens Entfernung zu den beiden Andern, und machte die Bemerkung, Fräulein Thereſe ge- wöhne ſich ſeit einiger Zeit einen gewiſſen pe- dantiſchen Ton an, der ſonſt nur Gouvernan- ten eigen zu ſein pflegte. „Sie will immer Alles beſſer wiſſen“, ſagte er, „immer beleh- ren, man merkt die Abſicht und man wird verſtimmt.“ „Es iſt ſo böſe nicht gemeint“, entſchul- digte Jenny, „ſie glaubt nur, mich erziehen zu müſſen, weil meine Eltern und Reinhard ſelbſt ſie mir früher oft als Beiſpiel aufgeſtellt haben. Zu dem hält ſie ſich meinem Bräuti- gam für den Unterricht verpflichtet, den er uns gegeben, und möchte, glaube ich, aus Dankbar-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/404>, abgerufen am 21.11.2024.