Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

"Und das geschieht noch heute", sagte Er-
lau. "Der Winter hat schwer auf mir gelegen,
mein Herz hat unter seinem eisigen Scepter
viel gelitten. Es hat mir weh gethan mein
Herz -- o recht weh! und Haß und Neid,
und wie diese Dämonen sonst noch heißen mö-
gen, die alle sind in meine einst so fröh-
liche Seele gezogen. Seit ich dies theure Bild
gemalt, hat kein anderes mehr gelingen wol-
len; es wird immer nur das Eine, und darum
Jenny! muß ich gehen. Wenn erst Italiens
heiterer Himmel und seine schönen Menschen
mich wieder umgeben, dann wird es bes-
ser werden; und wenn ich zurückkehre, soll
Niemand ahnen, wie ich geweint, als ich
zum letzten Male vor Dir stand, Niemand
als Du!

Mit diesen Worten schied er plötzlich und
ließ Jenny betäubt und erschüttert zurück. Nie
war es ihr eingefallen, daß Erlau einer solchen

„Und das geſchieht noch heute“, ſagte Er-
lau. „Der Winter hat ſchwer auf mir gelegen,
mein Herz hat unter ſeinem eiſigen Scepter
viel gelitten. Es hat mir weh gethan mein
Herz — o recht weh! und Haß und Neid,
und wie dieſe Dämonen ſonſt noch heißen mö-
gen, die alle ſind in meine einſt ſo fröh-
liche Seele gezogen. Seit ich dies theure Bild
gemalt, hat kein anderes mehr gelingen wol-
len; es wird immer nur das Eine, und darum
Jenny! muß ich gehen. Wenn erſt Italiens
heiterer Himmel und ſeine ſchönen Menſchen
mich wieder umgeben, dann wird es beſ-
ſer werden; und wenn ich zurückkehre, ſoll
Niemand ahnen, wie ich geweint, als ich
zum letzten Male vor Dir ſtand, Niemand
als Du!

Mit dieſen Worten ſchied er plötzlich und
ließ Jenny betäubt und erſchüttert zurück. Nie
war es ihr eingefallen, daß Erlau einer ſolchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0409" n="401"/>
        <p>&#x201E;Und das ge&#x017F;chieht noch heute&#x201C;, &#x017F;agte Er-<lb/>
lau. &#x201E;Der Winter hat &#x017F;chwer auf mir gelegen,<lb/>
mein Herz hat unter &#x017F;einem ei&#x017F;igen Scepter<lb/>
viel gelitten. Es hat mir weh gethan mein<lb/>
Herz &#x2014; o recht weh! und Haß und Neid,<lb/>
und wie die&#x017F;e Dämonen &#x017F;on&#x017F;t noch heißen mö-<lb/>
gen, die alle &#x017F;ind in meine ein&#x017F;t &#x017F;o fröh-<lb/>
liche Seele gezogen. Seit ich dies theure Bild<lb/>
gemalt, hat kein anderes mehr gelingen wol-<lb/>
len; es wird immer nur das Eine, und darum<lb/>
Jenny! muß ich gehen. Wenn er&#x017F;t Italiens<lb/>
heiterer Himmel und &#x017F;eine &#x017F;chönen Men&#x017F;chen<lb/>
mich wieder umgeben, dann wird es be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er werden; und wenn ich zurückkehre, &#x017F;oll<lb/>
Niemand ahnen, wie ich geweint, als ich<lb/>
zum letzten Male vor Dir &#x017F;tand, Niemand<lb/>
als Du!</p><lb/>
        <p>Mit die&#x017F;en Worten &#x017F;chied er plötzlich und<lb/>
ließ Jenny betäubt und er&#x017F;chüttert zurück. Nie<lb/>
war es ihr eingefallen, daß Erlau einer &#x017F;olchen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0409] „Und das geſchieht noch heute“, ſagte Er- lau. „Der Winter hat ſchwer auf mir gelegen, mein Herz hat unter ſeinem eiſigen Scepter viel gelitten. Es hat mir weh gethan mein Herz — o recht weh! und Haß und Neid, und wie dieſe Dämonen ſonſt noch heißen mö- gen, die alle ſind in meine einſt ſo fröh- liche Seele gezogen. Seit ich dies theure Bild gemalt, hat kein anderes mehr gelingen wol- len; es wird immer nur das Eine, und darum Jenny! muß ich gehen. Wenn erſt Italiens heiterer Himmel und ſeine ſchönen Menſchen mich wieder umgeben, dann wird es beſ- ſer werden; und wenn ich zurückkehre, ſoll Niemand ahnen, wie ich geweint, als ich zum letzten Male vor Dir ſtand, Niemand als Du! Mit dieſen Worten ſchied er plötzlich und ließ Jenny betäubt und erſchüttert zurück. Nie war es ihr eingefallen, daß Erlau einer ſolchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/409
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/409>, abgerufen am 21.11.2024.