Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

durfte Niemand erfahren, auch Reinhard nicht,
obgleich sie wußte, es sei nicht recht, es diesem
zu verschweigen. Erlau besaß ihr Bild, das
für Reinhard zu malen, er immer unter neuen
Vorwänden sich geweigert hatte. Sie hätte es
ihm vielleicht nicht lassen dürfen; aber es zu
fordern, hatte sie nicht Muth; sie gönnte es
ihm, und doch hielt sie es für unrecht und sich
für eine Mitschuldige Erlau's. Es kam ihr wie
eine Untreue an Reinhard vor, daß sie schwieg,
und besonders, daß trotz aller Einwendungen,
die sie sich machte, Erlau's stille Liebe ihr
wohlthat. Wie schroff stach gegen dieses Man-
nes Liebe Theresens Betragen ab!

Schon vor langer Zeit war Jenny der Ei-
fer unangenehm gewesen, mit dem Therese im-
mer gegen sie Partei genommen, wenn sie in
den gleichgültigsten Sachen von Reinhard's
Meinung abwich. Es fiel ihr ein, daß sie
sich einaml scherzend gegen Joseph darüber be-

I. 18

durfte Niemand erfahren, auch Reinhard nicht,
obgleich ſie wußte, es ſei nicht recht, es dieſem
zu verſchweigen. Erlau beſaß ihr Bild, das
für Reinhard zu malen, er immer unter neuen
Vorwänden ſich geweigert hatte. Sie hätte es
ihm vielleicht nicht laſſen dürfen; aber es zu
fordern, hatte ſie nicht Muth; ſie gönnte es
ihm, und doch hielt ſie es für unrecht und ſich
für eine Mitſchuldige Erlau's. Es kam ihr wie
eine Untreue an Reinhard vor, daß ſie ſchwieg,
und beſonders, daß trotz aller Einwendungen,
die ſie ſich machte, Erlau's ſtille Liebe ihr
wohlthat. Wie ſchroff ſtach gegen dieſes Man-
nes Liebe Thereſens Betragen ab!

Schon vor langer Zeit war Jenny der Ei-
fer unangenehm geweſen, mit dem Thereſe im-
mer gegen ſie Partei genommen, wenn ſie in
den gleichgültigſten Sachen von Reinhard's
Meinung abwich. Es fiel ihr ein, daß ſie
ſich einaml ſcherzend gegen Joſeph darüber be-

I. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0413" n="405"/>
durfte Niemand erfahren, auch Reinhard nicht,<lb/>
obgleich &#x017F;ie wußte, es &#x017F;ei nicht recht, es die&#x017F;em<lb/>
zu ver&#x017F;chweigen. Erlau be&#x017F;aß ihr Bild, das<lb/>
für Reinhard zu malen, er immer unter neuen<lb/>
Vorwänden &#x017F;ich geweigert hatte. Sie hätte es<lb/>
ihm vielleicht nicht la&#x017F;&#x017F;en dürfen; aber es zu<lb/>
fordern, hatte &#x017F;ie nicht Muth; &#x017F;ie gönnte es<lb/>
ihm, und doch hielt &#x017F;ie es für unrecht und &#x017F;ich<lb/>
für eine Mit&#x017F;chuldige Erlau's. Es kam ihr wie<lb/>
eine Untreue an Reinhard vor, daß &#x017F;ie &#x017F;chwieg,<lb/>
und be&#x017F;onders, daß trotz aller Einwendungen,<lb/>
die &#x017F;ie &#x017F;ich machte, Erlau's &#x017F;tille Liebe ihr<lb/>
wohlthat. Wie &#x017F;chroff &#x017F;tach gegen die&#x017F;es Man-<lb/>
nes Liebe There&#x017F;ens Betragen ab!</p><lb/>
        <p>Schon vor langer Zeit war Jenny der Ei-<lb/>
fer unangenehm gewe&#x017F;en, mit dem There&#x017F;e im-<lb/>
mer gegen &#x017F;ie Partei genommen, wenn &#x017F;ie in<lb/>
den gleichgültig&#x017F;ten Sachen von Reinhard's<lb/>
Meinung abwich. Es fiel ihr ein, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich einaml &#x017F;cherzend gegen Jo&#x017F;eph darüber be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">I.</hi> 18</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0413] durfte Niemand erfahren, auch Reinhard nicht, obgleich ſie wußte, es ſei nicht recht, es dieſem zu verſchweigen. Erlau beſaß ihr Bild, das für Reinhard zu malen, er immer unter neuen Vorwänden ſich geweigert hatte. Sie hätte es ihm vielleicht nicht laſſen dürfen; aber es zu fordern, hatte ſie nicht Muth; ſie gönnte es ihm, und doch hielt ſie es für unrecht und ſich für eine Mitſchuldige Erlau's. Es kam ihr wie eine Untreue an Reinhard vor, daß ſie ſchwieg, und beſonders, daß trotz aller Einwendungen, die ſie ſich machte, Erlau's ſtille Liebe ihr wohlthat. Wie ſchroff ſtach gegen dieſes Man- nes Liebe Thereſens Betragen ab! Schon vor langer Zeit war Jenny der Ei- fer unangenehm geweſen, mit dem Thereſe im- mer gegen ſie Partei genommen, wenn ſie in den gleichgültigſten Sachen von Reinhard's Meinung abwich. Es fiel ihr ein, daß ſie ſich einaml ſcherzend gegen Joſeph darüber be- I. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/413
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/413>, abgerufen am 21.11.2024.