Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

der Wind hin und her, und meinen kleinen,
stacheligen Cactus hat er gestern mitten durch-
gebrochen, weil er sich nicht beugen konnte. So
ist mein Herz -- es mag Euch starr, rauh und
häßlich erscheinen, aber es kann, so hoffe ich,
schöne Blumen tragen, die Euch erfreuen. Man
kann mein Herz brechen, aber es niemals zu
schwächlichem Nachgeben, zu schwankender Ge-
sinnung überreden -- und das schwöre ich
Dir, lieber will ich sterben, als Joseph's Frau
werden."

Laut schluchzend warf sie sich vor die Mutter
nieder und barg das Gesicht in ihren Schooß.
Erschreckt über so viel unerwartete Leidenschaft-
lichkeit schlang die besorgte Mutter die Arme
um das geliebte Kind und versuchte auf alle
Weise sie zu beruhigen. Sie versicherte Jenny,
daß sie allerdings glaube, der Vater würde gern
eine Verbindung seiner Tochter und Joseph's
sehen; doch sei es ihm nie in den Sinn gekom-

der Wind hin und her, und meinen kleinen,
ſtacheligen Cactus hat er geſtern mitten durch-
gebrochen, weil er ſich nicht beugen konnte. So
iſt mein Herz — es mag Euch ſtarr, rauh und
häßlich erſcheinen, aber es kann, ſo hoffe ich,
ſchöne Blumen tragen, die Euch erfreuen. Man
kann mein Herz brechen, aber es niemals zu
ſchwächlichem Nachgeben, zu ſchwankender Ge-
ſinnung überreden — und das ſchwöre ich
Dir, lieber will ich ſterben, als Joſeph's Frau
werden.“

Laut ſchluchzend warf ſie ſich vor die Mutter
nieder und barg das Geſicht in ihren Schooß.
Erſchreckt über ſo viel unerwartete Leidenſchaft-
lichkeit ſchlang die beſorgte Mutter die Arme
um das geliebte Kind und verſuchte auf alle
Weiſe ſie zu beruhigen. Sie verſicherte Jenny,
daß ſie allerdings glaube, der Vater würde gern
eine Verbindung ſeiner Tochter und Joſeph's
ſehen; doch ſei es ihm nie in den Sinn gekom-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="30"/>
der Wind hin und her, und meinen kleinen,<lb/>
&#x017F;tacheligen Cactus hat er ge&#x017F;tern mitten durch-<lb/>
gebrochen, weil er &#x017F;ich nicht beugen konnte. So<lb/>
i&#x017F;t mein Herz &#x2014; es mag Euch &#x017F;tarr, rauh und<lb/>
häßlich er&#x017F;cheinen, aber es kann, &#x017F;o hoffe ich,<lb/>
&#x017F;chöne Blumen tragen, die Euch erfreuen. Man<lb/>
kann mein Herz brechen, aber es niemals zu<lb/>
&#x017F;chwächlichem Nachgeben, zu &#x017F;chwankender Ge-<lb/>
&#x017F;innung überreden &#x2014; und das &#x017F;chwöre ich<lb/>
Dir, lieber will ich &#x017F;terben, als Jo&#x017F;eph's Frau<lb/>
werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Laut &#x017F;chluchzend warf &#x017F;ie &#x017F;ich vor die Mutter<lb/>
nieder und barg das Ge&#x017F;icht in ihren Schooß.<lb/>
Er&#x017F;chreckt über &#x017F;o viel unerwartete Leiden&#x017F;chaft-<lb/>
lichkeit &#x017F;chlang die be&#x017F;orgte Mutter die Arme<lb/>
um das geliebte Kind und ver&#x017F;uchte auf alle<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;ie zu beruhigen. Sie ver&#x017F;icherte Jenny,<lb/>
daß &#x017F;ie allerdings glaube, der Vater würde gern<lb/>
eine Verbindung &#x017F;einer Tochter und Jo&#x017F;eph's<lb/>
&#x017F;ehen; doch &#x017F;ei es ihm nie in den Sinn gekom-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0042] der Wind hin und her, und meinen kleinen, ſtacheligen Cactus hat er geſtern mitten durch- gebrochen, weil er ſich nicht beugen konnte. So iſt mein Herz — es mag Euch ſtarr, rauh und häßlich erſcheinen, aber es kann, ſo hoffe ich, ſchöne Blumen tragen, die Euch erfreuen. Man kann mein Herz brechen, aber es niemals zu ſchwächlichem Nachgeben, zu ſchwankender Ge- ſinnung überreden — und das ſchwöre ich Dir, lieber will ich ſterben, als Joſeph's Frau werden.“ Laut ſchluchzend warf ſie ſich vor die Mutter nieder und barg das Geſicht in ihren Schooß. Erſchreckt über ſo viel unerwartete Leidenſchaft- lichkeit ſchlang die beſorgte Mutter die Arme um das geliebte Kind und verſuchte auf alle Weiſe ſie zu beruhigen. Sie verſicherte Jenny, daß ſie allerdings glaube, der Vater würde gern eine Verbindung ſeiner Tochter und Joſeph's ſehen; doch ſei es ihm nie in den Sinn gekom-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/42
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/42>, abgerufen am 21.11.2024.