Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

men, jemals ihrer Neigung Zwang anzuthun.
Sie solle selbst über ihre Zukunft entscheiden --
sie wisse ja, daß die Eltern keinen andern Wunsch
hätten, als das Glück ihrer Kinder -- aber
Alles war vergeblich. Jenny konnte nicht zur
Ruhe kommen, und die Mutter sah an der Lei-
denschaftlichkeit, die so plötzlich, so anscheinend
grundlos hervorgebrochen war, daß wol schon
lange ein stilles Feuer in Jenny's Seele geglüht
haben mochte; aber wer dieses Feuer angefacht,
das wußte sie nicht zu errathen. Sie konnte
sich nicht erinnern, daß irgend einer der jungen
Männer, die in ihr Haus eingeführt waren und
Jenny auf jede Weise huldigten, einen beson-
dern Eindruck auf diese gemacht hätte. So saß
sie sinnend da, während die Tochter noch ganz
erhitzt und aufgeregt sich wieder an den Nähtisch
gesetzt hatte, und emsiger als sonst mit einer
Arbeit beschäftigt war, die gar nicht so großer
Eile bedurfte; doch wurde sie allmälig ruhiger

men, jemals ihrer Neigung Zwang anzuthun.
Sie ſolle ſelbſt über ihre Zukunft entſcheiden —
ſie wiſſe ja, daß die Eltern keinen andern Wunſch
hätten, als das Glück ihrer Kinder — aber
Alles war vergeblich. Jenny konnte nicht zur
Ruhe kommen, und die Mutter ſah an der Lei-
denſchaftlichkeit, die ſo plötzlich, ſo anſcheinend
grundlos hervorgebrochen war, daß wol ſchon
lange ein ſtilles Feuer in Jenny's Seele geglüht
haben mochte; aber wer dieſes Feuer angefacht,
das wußte ſie nicht zu errathen. Sie konnte
ſich nicht erinnern, daß irgend einer der jungen
Männer, die in ihr Haus eingeführt waren und
Jenny auf jede Weiſe huldigten, einen beſon-
dern Eindruck auf dieſe gemacht hätte. So ſaß
ſie ſinnend da, während die Tochter noch ganz
erhitzt und aufgeregt ſich wieder an den Nähtiſch
geſetzt hatte, und emſiger als ſonſt mit einer
Arbeit beſchäftigt war, die gar nicht ſo großer
Eile bedurfte; doch wurde ſie allmälig ruhiger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="31"/>
men, jemals ihrer Neigung Zwang anzuthun.<lb/>
Sie &#x017F;olle &#x017F;elb&#x017F;t über ihre Zukunft ent&#x017F;cheiden &#x2014;<lb/>
&#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;e ja, daß die Eltern keinen andern Wun&#x017F;ch<lb/>
hätten, als das Glück ihrer Kinder &#x2014; aber<lb/>
Alles war vergeblich. Jenny konnte nicht zur<lb/>
Ruhe kommen, und die Mutter &#x017F;ah an der Lei-<lb/>
den&#x017F;chaftlichkeit, die &#x017F;o plötzlich, &#x017F;o an&#x017F;cheinend<lb/>
grundlos hervorgebrochen war, daß wol &#x017F;chon<lb/>
lange ein &#x017F;tilles Feuer in Jenny's Seele geglüht<lb/>
haben mochte; aber wer die&#x017F;es Feuer angefacht,<lb/>
das wußte &#x017F;ie nicht zu errathen. Sie konnte<lb/>
&#x017F;ich nicht erinnern, daß irgend einer der jungen<lb/>
Männer, die in ihr Haus eingeführt waren und<lb/>
Jenny auf jede Wei&#x017F;e huldigten, einen be&#x017F;on-<lb/>
dern Eindruck auf die&#x017F;e gemacht hätte. So &#x017F;aß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;innend da, während die Tochter noch ganz<lb/>
erhitzt und aufgeregt &#x017F;ich wieder an den Nähti&#x017F;ch<lb/>
ge&#x017F;etzt hatte, und em&#x017F;iger als &#x017F;on&#x017F;t mit einer<lb/>
Arbeit be&#x017F;chäftigt war, die gar nicht &#x017F;o großer<lb/>
Eile bedurfte; doch wurde &#x017F;ie allmälig ruhiger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0043] men, jemals ihrer Neigung Zwang anzuthun. Sie ſolle ſelbſt über ihre Zukunft entſcheiden — ſie wiſſe ja, daß die Eltern keinen andern Wunſch hätten, als das Glück ihrer Kinder — aber Alles war vergeblich. Jenny konnte nicht zur Ruhe kommen, und die Mutter ſah an der Lei- denſchaftlichkeit, die ſo plötzlich, ſo anſcheinend grundlos hervorgebrochen war, daß wol ſchon lange ein ſtilles Feuer in Jenny's Seele geglüht haben mochte; aber wer dieſes Feuer angefacht, das wußte ſie nicht zu errathen. Sie konnte ſich nicht erinnern, daß irgend einer der jungen Männer, die in ihr Haus eingeführt waren und Jenny auf jede Weiſe huldigten, einen beſon- dern Eindruck auf dieſe gemacht hätte. So ſaß ſie ſinnend da, während die Tochter noch ganz erhitzt und aufgeregt ſich wieder an den Nähtiſch geſetzt hatte, und emſiger als ſonſt mit einer Arbeit beſchäftigt war, die gar nicht ſo großer Eile bedurfte; doch wurde ſie allmälig ruhiger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/43
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/43>, abgerufen am 21.11.2024.