charakterisirt sich ein edles Gemüth, ein freier, durchgebildeter Sinn am meisten in der Art, mit welcher man Dienste empfängt und Gefäl- ligkeiten annimmt. Sie auf eine schickliche Weise zu leisten, erlernt Mancher."
"Ach! auch das ist nicht jedes Menschen Sache!" wandte William ein. "Wie oft er- drückt man uns mit der Art, in der man sich uns dienstwillig und gefällig zeigt!"
"Eben weil man es nicht ist!" erwiderte Herr Meier. "Weil man sich das für eine Tugend, für eine Pflichterfüllung, oder gar für ein Opfer auslegt, was dem wohlwollenden Charakter ganz einfach und natürlich erscheint. Wer bereit ist, Andern zu dienen und gefällig zu sein, wer empfunden hat, wie viel Freude darin liegt, der gönnt diesen Genuß auch den Uebrigen und nimmt Hülfsleistungen und Ge- fälligkeiten so gern und unbefangen an, als er sie erzeigt. Er weiß, daß Geben seliger sei als
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charakteriſirt ſich ein edles Gemüth, ein freier, durchgebildeter Sinn am meiſten in der Art, mit welcher man Dienſte empfängt und Gefäl- ligkeiten annimmt. Sie auf eine ſchickliche Weiſe zu leiſten, erlernt Mancher.“
„Ach! auch das iſt nicht jedes Menſchen Sache!“ wandte William ein. „Wie oft er- drückt man uns mit der Art, in der man ſich uns dienſtwillig und gefällig zeigt!“
„Eben weil man es nicht iſt!“ erwiderte Herr Meier. „Weil man ſich das für eine Tugend, für eine Pflichterfüllung, oder gar für ein Opfer auslegt, was dem wohlwollenden Charakter ganz einfach und natürlich erſcheint. Wer bereit iſt, Andern zu dienen und gefällig zu ſein, wer empfunden hat, wie viel Freude darin liegt, der gönnt dieſen Genuß auch den Uebrigen und nimmt Hülfsleiſtungen und Ge- fälligkeiten ſo gern und unbefangen an, als er ſie erzeigt. Er weiß, daß Geben ſeliger ſei als
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charakteriſirt ſich ein edles Gemüth, ein freier,
durchgebildeter Sinn am meiſten in der Art,
mit welcher man Dienſte empfängt und Gefäl-
ligkeiten annimmt. Sie auf eine ſchickliche
Weiſe zu leiſten, erlernt Mancher.“
„Ach! auch das iſt nicht jedes Menſchen
Sache!“ wandte William ein. „Wie oft er-
drückt man uns mit der Art, in der man ſich
uns dienſtwillig und gefällig zeigt!“
„Eben weil man es nicht iſt!“ erwiderte
Herr Meier. „Weil man ſich das für eine
Tugend, für eine Pflichterfüllung, oder gar
für ein Opfer auslegt, was dem wohlwollenden
Charakter ganz einfach und natürlich erſcheint.
Wer bereit iſt, Andern zu dienen und gefällig
zu ſein, wer empfunden hat, wie viel Freude
darin liegt, der gönnt dieſen Genuß auch den
Uebrigen und nimmt Hülfsleiſtungen und Ge-
fälligkeiten ſo gern und unbefangen an, als er
ſie erzeigt. Er weiß, daß Geben ſeliger ſei als
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/187>, abgerufen am 21.11.2024.
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