von den Vorurtheilen sei, durch die, wie er allmälig von Jenny erfuhr, auch sie und die Ihrigen so empfindlich gelitten hatten. Er schien eine Ehre darin zu finden, Jenny's un- ausgesetzter Begleiter zu sein, und erklärte offen, wie er die Gesellschaft des alten Herrn Meier und seiner Tochter fast jeder andern vorzöge.
Dabei ging Walter's Selbsttäuschung so weit, daß er jenes Gefühl, welches ihn zu han- deln antrieb, nur für eine Gerechtigkeit, für eine Genugthuung des freien Glücklichen gegen den Unterdrückten hielt. Er glaubte, nur sei- ner politischen Ueberzeugung, seiner Achtung vor Menschenrechten zu folgen, die ritterliche Pflicht eines Edelmannes zu erfüllen, indem er durch sein Beispiel gegen ungerechte Vorurtheile kämpfte.
Einem Onkel, der durch Bekannte von Wal- ter's Verhältniß zur Meierschen Familie unter-
von den Vorurtheilen ſei, durch die, wie er allmälig von Jenny erfuhr, auch ſie und die Ihrigen ſo empfindlich gelitten hatten. Er ſchien eine Ehre darin zu finden, Jenny's un- ausgeſetzter Begleiter zu ſein, und erklärte offen, wie er die Geſellſchaft des alten Herrn Meier und ſeiner Tochter faſt jeder andern vorzöge.
Dabei ging Walter's Selbſttäuſchung ſo weit, daß er jenes Gefühl, welches ihn zu han- deln antrieb, nur für eine Gerechtigkeit, für eine Genugthuung des freien Glücklichen gegen den Unterdrückten hielt. Er glaubte, nur ſei- ner politiſchen Ueberzeugung, ſeiner Achtung vor Menſchenrechten zu folgen, die ritterliche Pflicht eines Edelmannes zu erfüllen, indem er durch ſein Beiſpiel gegen ungerechte Vorurtheile kämpfte.
Einem Onkel, der durch Bekannte von Wal- ter's Verhältniß zur Meierſchen Familie unter-
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von den Vorurtheilen ſei, durch die, wie er
allmälig von Jenny erfuhr, auch ſie und die
Ihrigen ſo empfindlich gelitten hatten. Er
ſchien eine Ehre darin zu finden, Jenny's un-
ausgeſetzter Begleiter zu ſein, und erklärte
offen, wie er die Geſellſchaft des alten Herrn
Meier und ſeiner Tochter faſt jeder andern
vorzöge.
Dabei ging Walter's Selbſttäuſchung ſo
weit, daß er jenes Gefühl, welches ihn zu han-
deln antrieb, nur für eine Gerechtigkeit, für
eine Genugthuung des freien Glücklichen gegen
den Unterdrückten hielt. Er glaubte, nur ſei-
ner politiſchen Ueberzeugung, ſeiner Achtung
vor Menſchenrechten zu folgen, die ritterliche
Pflicht eines Edelmannes zu erfüllen, indem er
durch ſein Beiſpiel gegen ungerechte Vorurtheile
kämpfte.
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/200>, abgerufen am 21.11.2024.
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