offen und frei aus, selbst jenes Gespräch der Stiftsdame theilte sie ihm mit, das sie so tief verletzt hatte, und fragte:
"Walter! wird es Dich nie schmerzen, wenn Du Aehnliches hören müßtest?"
"Niemals!" sagte Walter entschieden. "Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren zu sein, so war es, weil von dieser Höhe aus, mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge verwirren, stets so gar klein und thöricht er- schienen; weil dieser Standpunkt unser Thun und Handeln sichtbar zur Richtschnur für viele Andere macht. Ich bin stolz darauf, Dich, Du Geliebte, mit der Grafenkrone zu schmücken, zu zeigen, daß mir Dein Besitz mehr gilt als alle Würden der Welt und kein Tadel kann mich verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres Weib unsern alten Namen getragen, als Du!"
offen und frei aus, ſelbſt jenes Geſpräch der Stiftsdame theilte ſie ihm mit, das ſie ſo tief verletzt hatte, und fragte:
„Walter! wird es Dich nie ſchmerzen, wenn Du Aehnliches hören müßteſt?“
„Niemals!“ ſagte Walter entſchieden. „Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren zu ſein, ſo war es, weil von dieſer Höhe aus, mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge verwirren, ſtets ſo gar klein und thöricht er- ſchienen; weil dieſer Standpunkt unſer Thun und Handeln ſichtbar zur Richtſchnur für viele Andere macht. Ich bin ſtolz darauf, Dich, Du Geliebte, mit der Grafenkrone zu ſchmücken, zu zeigen, daß mir Dein Beſitz mehr gilt als alle Würden der Welt und kein Tadel kann mich verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres Weib unſern alten Namen getragen, als Du!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0292"n="282"/>
offen und frei aus, ſelbſt jenes Geſpräch der<lb/>
Stiftsdame theilte ſie ihm mit, das ſie ſo tief<lb/>
verletzt hatte, und fragte:</p><lb/><p>„Walter! wird es Dich nie ſchmerzen, wenn<lb/>
Du Aehnliches hören müßteſt?“</p><lb/><p>„Niemals!“ſagte Walter entſchieden.<lb/>„Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück<lb/>
empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren<lb/>
zu ſein, ſo war es, weil von dieſer Höhe aus,<lb/>
mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge<lb/>
verwirren, ſtets ſo gar klein und thöricht er-<lb/>ſchienen; weil dieſer Standpunkt unſer Thun<lb/>
und Handeln ſichtbar zur Richtſchnur für viele<lb/>
Andere macht. Ich bin ſtolz darauf, Dich, Du<lb/>
Geliebte, mit der Grafenkrone zu ſchmücken, zu<lb/>
zeigen, daß mir Dein Beſitz mehr gilt als alle<lb/>
Würden der Welt und kein Tadel kann mich<lb/>
verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres<lb/>
Weib unſern alten Namen getragen, als Du!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[282/0292]
offen und frei aus, ſelbſt jenes Geſpräch der
Stiftsdame theilte ſie ihm mit, das ſie ſo tief
verletzt hatte, und fragte:
„Walter! wird es Dich nie ſchmerzen, wenn
Du Aehnliches hören müßteſt?“
„Niemals!“ ſagte Walter entſchieden.
„Glaube mir! Habe ich es je als ein Glück
empfunden, auf der Höhe des Lebens geboren
zu ſein, ſo war es, weil von dieſer Höhe aus,
mir jene Vorurtheile, die den Sinn der Menge
verwirren, ſtets ſo gar klein und thöricht er-
ſchienen; weil dieſer Standpunkt unſer Thun
und Handeln ſichtbar zur Richtſchnur für viele
Andere macht. Ich bin ſtolz darauf, Dich, Du
Geliebte, mit der Grafenkrone zu ſchmücken, zu
zeigen, daß mir Dein Beſitz mehr gilt als alle
Würden der Welt und kein Tadel kann mich
verletzen, da ich weiß, daß nie ein herrlicheres
Weib unſern alten Namen getragen, als Du!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/292>, abgerufen am 06.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.