Liebe zu ihm oder die Furcht vor seinen be- schränkten Verhältnissen und dem Leben in länd- licher Zurückgezogenheit sie zur Lösung dieses Bündnisses veranlasse, und daß sie die Religion nur zum Deckmantel gebrauche? Jenny sah Reinhard vor sich, sie sah, wie er mit Verach- tung auf sie blickte, wie er sie von sich stieß, er, der sie einst geliebt, an dem sie stets mit warmer Neigung gehangen, und trotz aller in- nern Kämpfe, trotz der warnenden Stimme ihres Gewissens ließ Jenny die Taufe für eine bestimmte Stunde ansetzen, und beschloß, durch jenes gekünstelte Glaubensbekenntniß, das sie beschwören konnte, ohne gerade einen Meineid zu begehen, sich unauflöslich mit Reinhard zu verbinden, weil sie sich vor den Leiden fürchtete, die eine Trennung von ihrem Geliebten noth- wendig zur Folge haben mußte.
Reinhard, seine Mutter und Clara sollten die Zeugen bei Jenny's Taufe sein, und die
2*
Liebe zu ihm oder die Furcht vor ſeinen be- ſchränkten Verhältniſſen und dem Leben in länd- licher Zurückgezogenheit ſie zur Löſung dieſes Bündniſſes veranlaſſe, und daß ſie die Religion nur zum Deckmantel gebrauche? Jenny ſah Reinhard vor ſich, ſie ſah, wie er mit Verach- tung auf ſie blickte, wie er ſie von ſich ſtieß, er, der ſie einſt geliebt, an dem ſie ſtets mit warmer Neigung gehangen, und trotz aller in- nern Kämpfe, trotz der warnenden Stimme ihres Gewiſſens ließ Jenny die Taufe für eine beſtimmte Stunde anſetzen, und beſchloß, durch jenes gekünſtelte Glaubensbekenntniß, das ſie beſchwören konnte, ohne gerade einen Meineid zu begehen, ſich unauflöslich mit Reinhard zu verbinden, weil ſie ſich vor den Leiden fürchtete, die eine Trennung von ihrem Geliebten noth- wendig zur Folge haben mußte.
Reinhard, ſeine Mutter und Clara ſollten die Zeugen bei Jenny's Taufe ſein, und die
2*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0037"n="27"/>
Liebe zu ihm oder die Furcht vor ſeinen be-<lb/>ſchränkten Verhältniſſen und dem Leben in länd-<lb/>
licher Zurückgezogenheit ſie zur Löſung dieſes<lb/>
Bündniſſes veranlaſſe, und daß ſie die Religion<lb/>
nur zum Deckmantel gebrauche? Jenny ſah<lb/>
Reinhard vor ſich, ſie ſah, wie er mit Verach-<lb/>
tung auf ſie blickte, wie er ſie von ſich ſtieß,<lb/>
er, der ſie einſt geliebt, an dem ſie ſtets mit<lb/>
warmer Neigung gehangen, und trotz aller in-<lb/>
nern Kämpfe, trotz der warnenden Stimme<lb/>
ihres Gewiſſens ließ Jenny die Taufe für eine<lb/>
beſtimmte Stunde anſetzen, und beſchloß, durch<lb/>
jenes gekünſtelte Glaubensbekenntniß, das ſie<lb/>
beſchwören konnte, ohne gerade einen Meineid<lb/>
zu begehen, ſich unauflöslich mit Reinhard zu<lb/>
verbinden, weil ſie ſich vor den Leiden fürchtete,<lb/>
die eine Trennung von ihrem Geliebten noth-<lb/>
wendig zur Folge haben mußte.</p><lb/><p>Reinhard, ſeine Mutter und Clara ſollten<lb/>
die Zeugen bei Jenny's Taufe ſein, und die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0037]
Liebe zu ihm oder die Furcht vor ſeinen be-
ſchränkten Verhältniſſen und dem Leben in länd-
licher Zurückgezogenheit ſie zur Löſung dieſes
Bündniſſes veranlaſſe, und daß ſie die Religion
nur zum Deckmantel gebrauche? Jenny ſah
Reinhard vor ſich, ſie ſah, wie er mit Verach-
tung auf ſie blickte, wie er ſie von ſich ſtieß,
er, der ſie einſt geliebt, an dem ſie ſtets mit
warmer Neigung gehangen, und trotz aller in-
nern Kämpfe, trotz der warnenden Stimme
ihres Gewiſſens ließ Jenny die Taufe für eine
beſtimmte Stunde anſetzen, und beſchloß, durch
jenes gekünſtelte Glaubensbekenntniß, das ſie
beſchwören konnte, ohne gerade einen Meineid
zu begehen, ſich unauflöslich mit Reinhard zu
verbinden, weil ſie ſich vor den Leiden fürchtete,
die eine Trennung von ihrem Geliebten noth-
wendig zur Folge haben mußte.
Reinhard, ſeine Mutter und Clara ſollten
die Zeugen bei Jenny's Taufe ſein, und die
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/37>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.