Pfarrerin war zu diesem Zwecke nach Berghoff gekommen, wo sie ein paar Wochen zu bleiben versprochen hatte. Auch Reinhard machte sich frei von seinen Geschäften in der Stadt, um diese Zeit ganz mit seiner Braut zu verleben, da er, wie schon gesagt, gleich nach der Taufe mit seiner Mutter zu seinem alten Onkel fah- ren und dort verweilen wollte, bis die Entschei- dung über seine Anstellung definitiv erfolgt sein würde. Obgleich nur ein paar Monate seit der Abreise der Pfarrerin verflossen waren, fand sie das Verhältniß ihres Sohnes zu Jenny wesentlich verändert und fast umgekehrt. Rein- hard's Eifersucht hatte sich gelegt, da Erlau dieselbe nicht mehr erregte; mit den äußern Verhältnissen seiner Zukunft, mit dem Reich- thum seiner Braut hatte er sich ausgesöhnt, je mehr er sich überzeugte, daß die ganze Familie denselben zwar in seinem Werthe begriff, aber doch nicht überschätzte oder damit absichtlich
Pfarrerin war zu dieſem Zwecke nach Berghoff gekommen, wo ſie ein paar Wochen zu bleiben verſprochen hatte. Auch Reinhard machte ſich frei von ſeinen Geſchäften in der Stadt, um dieſe Zeit ganz mit ſeiner Braut zu verleben, da er, wie ſchon geſagt, gleich nach der Taufe mit ſeiner Mutter zu ſeinem alten Onkel fah- ren und dort verweilen wollte, bis die Entſchei- dung über ſeine Anſtellung definitiv erfolgt ſein würde. Obgleich nur ein paar Monate ſeit der Abreiſe der Pfarrerin verfloſſen waren, fand ſie das Verhältniß ihres Sohnes zu Jenny weſentlich verändert und faſt umgekehrt. Rein- hard's Eiferſucht hatte ſich gelegt, da Erlau dieſelbe nicht mehr erregte; mit den äußern Verhältniſſen ſeiner Zukunft, mit dem Reich- thum ſeiner Braut hatte er ſich ausgeſöhnt, je mehr er ſich überzeugte, daß die ganze Familie denſelben zwar in ſeinem Werthe begriff, aber doch nicht überſchätzte oder damit abſichtlich
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Pfarrerin war zu dieſem Zwecke nach Berghoff
gekommen, wo ſie ein paar Wochen zu bleiben
verſprochen hatte. Auch Reinhard machte ſich
frei von ſeinen Geſchäften in der Stadt, um
dieſe Zeit ganz mit ſeiner Braut zu verleben,
da er, wie ſchon geſagt, gleich nach der Taufe
mit ſeiner Mutter zu ſeinem alten Onkel fah-
ren und dort verweilen wollte, bis die Entſchei-
dung über ſeine Anſtellung definitiv erfolgt ſein
würde. Obgleich nur ein paar Monate ſeit
der Abreiſe der Pfarrerin verfloſſen waren, fand
ſie das Verhältniß ihres Sohnes zu Jenny
weſentlich verändert und faſt umgekehrt. Rein-
hard's Eiferſucht hatte ſich gelegt, da Erlau
dieſelbe nicht mehr erregte; mit den äußern
Verhältniſſen ſeiner Zukunft, mit dem Reich-
thum ſeiner Braut hatte er ſich ausgeſöhnt, je
mehr er ſich überzeugte, daß die ganze Familie
denſelben zwar in ſeinem Werthe begriff, aber
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/38>, abgerufen am 21.11.2024.
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