unruhig, wenn sie ihn nicht sah, und doch ver- mißte das scharfe Auge der Pfarrerin, trotz der Heftigkeit und Leidenschaft, die Jenny's Liebe verrieth, jene innige Hingebung, welche sie frü- her für Reinhard gezeigt hatte. Es lag ein Etwas in dem Betragen, in der ganzen Art Jenny's, das ihr unheimlich, ja fast dämonisch vorkam, und wovon sie sich doch keine bestimmte Rechenschaft geben konnte, um so weniger, als Jenny von einem unersättlichen Hang zu im- mer neuen Zerstreuungen erfüllt schien, der Niemanden in ihrer Umgebung zur Ruhe kommen ließ. Fahrten zu Wasser und zu Lande, Be- suche in der Nachbarschaft und stundenlange Spazierritte wechselten schnell mit einander ab, ohne daß Jenny, die eifrig darnach verlangte, Genuß darin zu finden schien. Reinhard liebte die Natur und jede Art von Bewegung im Freien, deshalb ließ er sich gern bereitwillig finden zu jedem Vorschlag der Art, welchen
unruhig, wenn ſie ihn nicht ſah, und doch ver- mißte das ſcharfe Auge der Pfarrerin, trotz der Heftigkeit und Leidenſchaft, die Jenny's Liebe verrieth, jene innige Hingebung, welche ſie frü- her für Reinhard gezeigt hatte. Es lag ein Etwas in dem Betragen, in der ganzen Art Jenny's, das ihr unheimlich, ja faſt dämoniſch vorkam, und wovon ſie ſich doch keine beſtimmte Rechenſchaft geben konnte, um ſo weniger, als Jenny von einem unerſättlichen Hang zu im- mer neuen Zerſtreuungen erfüllt ſchien, der Niemanden in ihrer Umgebung zur Ruhe kommen ließ. Fahrten zu Waſſer und zu Lande, Be- ſuche in der Nachbarſchaft und ſtundenlange Spazierritte wechſelten ſchnell mit einander ab, ohne daß Jenny, die eifrig darnach verlangte, Genuß darin zu finden ſchien. Reinhard liebte die Natur und jede Art von Bewegung im Freien, deshalb ließ er ſich gern bereitwillig finden zu jedem Vorſchlag der Art, welchen
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unruhig, wenn ſie ihn nicht ſah, und doch ver-
mißte das ſcharfe Auge der Pfarrerin, trotz der
Heftigkeit und Leidenſchaft, die Jenny's Liebe
verrieth, jene innige Hingebung, welche ſie frü-
her für Reinhard gezeigt hatte. Es lag ein
Etwas in dem Betragen, in der ganzen Art
Jenny's, das ihr unheimlich, ja faſt dämoniſch
vorkam, und wovon ſie ſich doch keine beſtimmte
Rechenſchaft geben konnte, um ſo weniger, als
Jenny von einem unerſättlichen Hang zu im-
mer neuen Zerſtreuungen erfüllt ſchien, der
Niemanden in ihrer Umgebung zur Ruhe kommen
ließ. Fahrten zu Waſſer und zu Lande, Be-
ſuche in der Nachbarſchaft und ſtundenlange
Spazierritte wechſelten ſchnell mit einander ab,
ohne daß Jenny, die eifrig darnach verlangte,
Genuß darin zu finden ſchien. Reinhard liebte
die Natur und jede Art von Bewegung im
Freien, deshalb ließ er ſich gern bereitwillig
finden zu jedem Vorſchlag der Art, welchen
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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