Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

sendmal hatte er es sich vorgestellt, während er
in seinem Wagen einsam und rasch dahinflog,
wie die Tante und Clara ihm entgegeneilen
und er mit dem Willkomm zugleich den Braut-
kuß von den Lippen seiner Cousine küssen
werde. Statt dessen empfing ihn sein Onkel
zwar freundlich, aber zerstreut durch Geschäfte,
in denen er ihn unterbrochen hatte, und mit so
eiligen Fragen nach dem Befinden seines Va-
ters, nach seiner Reise und den Aussichten für
das nächste Handelsjahr in London, daß der
junge Mann wohl bemerken konnte, wie gern
sein Onkel ihn abzufertigen wünsche. Deshalb
zog er sich bald zurück und begab sich in die
Zimmer der Damen, um dort die Heimkehr
derselben zu erwarten.

Eine eigenthümliche Empfindung beschlich
ihn, als er sich wieder in den Räumen befand,
aus denen er, von Furcht und Hoffnung be-
wegt, geschieden war. Gleich nach seiner An-

3**

ſendmal hatte er es ſich vorgeſtellt, während er
in ſeinem Wagen einſam und raſch dahinflog,
wie die Tante und Clara ihm entgegeneilen
und er mit dem Willkomm zugleich den Braut-
kuß von den Lippen ſeiner Couſine küſſen
werde. Statt deſſen empfing ihn ſein Onkel
zwar freundlich, aber zerſtreut durch Geſchäfte,
in denen er ihn unterbrochen hatte, und mit ſo
eiligen Fragen nach dem Befinden ſeines Va-
ters, nach ſeiner Reiſe und den Ausſichten für
das nächſte Handelsjahr in London, daß der
junge Mann wohl bemerken konnte, wie gern
ſein Onkel ihn abzufertigen wünſche. Deshalb
zog er ſich bald zurück und begab ſich in die
Zimmer der Damen, um dort die Heimkehr
derſelben zu erwarten.

Eine eigenthümliche Empfindung beſchlich
ihn, als er ſich wieder in den Räumen befand,
aus denen er, von Furcht und Hoffnung be-
wegt, geſchieden war. Gleich nach ſeiner An-

3**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="57"/>
&#x017F;endmal hatte er es &#x017F;ich vorge&#x017F;tellt, während er<lb/>
in &#x017F;einem Wagen ein&#x017F;am und ra&#x017F;ch dahinflog,<lb/>
wie die Tante und Clara ihm entgegeneilen<lb/>
und er mit dem Willkomm zugleich den Braut-<lb/>
kuß von den Lippen &#x017F;einer Cou&#x017F;ine kü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werde. Statt de&#x017F;&#x017F;en empfing ihn &#x017F;ein Onkel<lb/>
zwar freundlich, aber zer&#x017F;treut durch Ge&#x017F;chäfte,<lb/>
in denen er ihn unterbrochen hatte, und mit &#x017F;o<lb/>
eiligen Fragen nach dem Befinden &#x017F;eines Va-<lb/>
ters, nach &#x017F;einer Rei&#x017F;e und den Aus&#x017F;ichten für<lb/>
das näch&#x017F;te Handelsjahr in London, daß der<lb/>
junge Mann wohl bemerken konnte, wie gern<lb/>
&#x017F;ein Onkel ihn abzufertigen wün&#x017F;che. Deshalb<lb/>
zog er &#x017F;ich bald zurück und begab &#x017F;ich in die<lb/>
Zimmer der Damen, um dort die Heimkehr<lb/>
der&#x017F;elben zu erwarten.</p><lb/>
        <p>Eine eigenthümliche Empfindung be&#x017F;chlich<lb/>
ihn, als er &#x017F;ich wieder in den Räumen befand,<lb/>
aus denen er, von Furcht und Hoffnung be-<lb/>
wegt, ge&#x017F;chieden war. Gleich nach &#x017F;einer An-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3**</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0067] ſendmal hatte er es ſich vorgeſtellt, während er in ſeinem Wagen einſam und raſch dahinflog, wie die Tante und Clara ihm entgegeneilen und er mit dem Willkomm zugleich den Braut- kuß von den Lippen ſeiner Couſine küſſen werde. Statt deſſen empfing ihn ſein Onkel zwar freundlich, aber zerſtreut durch Geſchäfte, in denen er ihn unterbrochen hatte, und mit ſo eiligen Fragen nach dem Befinden ſeines Va- ters, nach ſeiner Reiſe und den Ausſichten für das nächſte Handelsjahr in London, daß der junge Mann wohl bemerken konnte, wie gern ſein Onkel ihn abzufertigen wünſche. Deshalb zog er ſich bald zurück und begab ſich in die Zimmer der Damen, um dort die Heimkehr derſelben zu erwarten. Eine eigenthümliche Empfindung beſchlich ihn, als er ſich wieder in den Räumen befand, aus denen er, von Furcht und Hoffnung be- wegt, geſchieden war. Gleich nach ſeiner An- 3**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/67
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/67>, abgerufen am 24.11.2024.