kunft in London hatte er der Commerzienräthin geschrieben und einen kurzen, herzlichen Brief für Clara beigelegt, dem sie ihm beantwortete, ohne eigentlich seiner Werbung zu gedenken, indem sie ihm hauptsächlich ihre Theilnahme an der Krankheit seines Vaters ausdrückte, ihr Bedauern über seine plötzliche Abreise unter so traurigen Umständen und die Hoffnung, daß dennoch Alles sich zum Besten und nach ihren Wünschen fügen werde. William selbst gehörte nicht zu den Menschen, welche es lieben, sich mündlich oder gar schriftlich über seine Gefühle auszusprechen; deshalb überraschte ihn Clara's Zurückhaltung nicht. Sie wußte, daß er sie liebe; die Tante hatte ihm die Hand ihrer Toch- ter zugesagt, ihm selbst die Versicherung gege- ben, daß Clara seine Neigung erwidere, und da diese sich nicht dagegen erklärt hatte, las er mit fröhlichem Vertrauen aus den wenigen und flüchtigen Briefen, welche er von Clara
kunft in London hatte er der Commerzienräthin geſchrieben und einen kurzen, herzlichen Brief für Clara beigelegt, dem ſie ihm beantwortete, ohne eigentlich ſeiner Werbung zu gedenken, indem ſie ihm hauptſächlich ihre Theilnahme an der Krankheit ſeines Vaters ausdrückte, ihr Bedauern über ſeine plötzliche Abreiſe unter ſo traurigen Umſtänden und die Hoffnung, daß dennoch Alles ſich zum Beſten und nach ihren Wünſchen fügen werde. William ſelbſt gehörte nicht zu den Menſchen, welche es lieben, ſich mündlich oder gar ſchriftlich über ſeine Gefühle auszuſprechen; deshalb überraſchte ihn Clara's Zurückhaltung nicht. Sie wußte, daß er ſie liebe; die Tante hatte ihm die Hand ihrer Toch- ter zugeſagt, ihm ſelbſt die Verſicherung gege- ben, daß Clara ſeine Neigung erwidere, und da dieſe ſich nicht dagegen erklärt hatte, las er mit fröhlichem Vertrauen aus den wenigen und flüchtigen Briefen, welche er von Clara
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="58"/>
kunft in London hatte er der Commerzienräthin<lb/>
geſchrieben und einen kurzen, herzlichen Brief<lb/>
für Clara beigelegt, dem ſie ihm beantwortete,<lb/>
ohne eigentlich ſeiner Werbung zu gedenken,<lb/>
indem ſie ihm hauptſächlich ihre Theilnahme an<lb/>
der Krankheit ſeines Vaters ausdrückte, ihr<lb/>
Bedauern über ſeine plötzliche Abreiſe unter ſo<lb/>
traurigen Umſtänden und die Hoffnung, daß<lb/>
dennoch Alles ſich zum Beſten und nach ihren<lb/>
Wünſchen fügen werde. William ſelbſt gehörte<lb/>
nicht zu den Menſchen, welche es lieben, ſich<lb/>
mündlich oder gar ſchriftlich über ſeine Gefühle<lb/>
auszuſprechen; deshalb überraſchte ihn Clara's<lb/>
Zurückhaltung nicht. Sie wußte, daß er ſie<lb/>
liebe; die Tante hatte ihm die Hand ihrer Toch-<lb/>
ter zugeſagt, ihm ſelbſt die Verſicherung gege-<lb/>
ben, daß Clara ſeine Neigung erwidere, und<lb/>
da dieſe ſich nicht <hirendition="#g">dagegen</hi> erklärt hatte, las<lb/>
er mit fröhlichem Vertrauen aus den wenigen<lb/>
und flüchtigen Briefen, welche er von Clara<lb/></p></div></body></text></TEI>
[58/0068]
kunft in London hatte er der Commerzienräthin
geſchrieben und einen kurzen, herzlichen Brief
für Clara beigelegt, dem ſie ihm beantwortete,
ohne eigentlich ſeiner Werbung zu gedenken,
indem ſie ihm hauptſächlich ihre Theilnahme an
der Krankheit ſeines Vaters ausdrückte, ihr
Bedauern über ſeine plötzliche Abreiſe unter ſo
traurigen Umſtänden und die Hoffnung, daß
dennoch Alles ſich zum Beſten und nach ihren
Wünſchen fügen werde. William ſelbſt gehörte
nicht zu den Menſchen, welche es lieben, ſich
mündlich oder gar ſchriftlich über ſeine Gefühle
auszuſprechen; deshalb überraſchte ihn Clara's
Zurückhaltung nicht. Sie wußte, daß er ſie
liebe; die Tante hatte ihm die Hand ihrer Toch-
ter zugeſagt, ihm ſelbſt die Verſicherung gege-
ben, daß Clara ſeine Neigung erwidere, und
da dieſe ſich nicht dagegen erklärt hatte, las
er mit fröhlichem Vertrauen aus den wenigen
und flüchtigen Briefen, welche er von Clara
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/68>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.