zu können. Eine politische Broschüre lag aufge- schlagen neben dem Kästchen; sie gehörte eben- falls dem Doctor Meier, wie die von seiner Hand geschriebenen Anmerkungen in derselben verriethen. Von all' jenen eleganten Kleinig- keiten, die William seiner Cousine geschenkt, schien sie keinen Gebrauch zu machen, denn sie standen in kalter Ordnung mit andern Nippes auf einer Etagere aufgerichtet, wo sie nur die Hand des Hausmädchens gesäubert und Clara's Auge vielleicht niemals getroffen haben mochte. Das that William wehe und machte ihn un- muthig und nachdenkend, so daß er fast erschrak, als er endlich die Stimme seiner Tante hörte.
Eilig stand er auf und ging den Damen entgegen. Mit einem: "Willkommen, mein Sohn!" umarmte ihn die Commerzienräthin und fügte, gegen Clara gewendet, hinzu: "Nun, da ist er! Ich will wie eine ächte Romanmutter, die ich Euch immer war, den zärtlichen Erguß
zu können. Eine politiſche Broſchüre lag aufge- ſchlagen neben dem Käſtchen; ſie gehörte eben- falls dem Doctor Meier, wie die von ſeiner Hand geſchriebenen Anmerkungen in derſelben verriethen. Von all' jenen eleganten Kleinig- keiten, die William ſeiner Couſine geſchenkt, ſchien ſie keinen Gebrauch zu machen, denn ſie ſtanden in kalter Ordnung mit andern Nippes auf einer Etagère aufgerichtet, wo ſie nur die Hand des Hausmädchens geſäubert und Clara's Auge vielleicht niemals getroffen haben mochte. Das that William wehe und machte ihn un- muthig und nachdenkend, ſo daß er faſt erſchrak, als er endlich die Stimme ſeiner Tante hörte.
Eilig ſtand er auf und ging den Damen entgegen. Mit einem: „Willkommen, mein Sohn!“ umarmte ihn die Commerzienräthin und fügte, gegen Clara gewendet, hinzu: „Nun, da iſt er! Ich will wie eine ächte Romanmutter, die ich Euch immer war, den zärtlichen Erguß
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zu können. Eine politiſche Broſchüre lag aufge-
ſchlagen neben dem Käſtchen; ſie gehörte eben-
falls dem Doctor Meier, wie die von ſeiner
Hand geſchriebenen Anmerkungen in derſelben
verriethen. Von all' jenen eleganten Kleinig-
keiten, die William ſeiner Couſine geſchenkt,
ſchien ſie keinen Gebrauch zu machen, denn ſie
ſtanden in kalter Ordnung mit andern Nippes
auf einer Etagère aufgerichtet, wo ſie nur die
Hand des Hausmädchens geſäubert und Clara's
Auge vielleicht niemals getroffen haben mochte.
Das that William wehe und machte ihn un-
muthig und nachdenkend, ſo daß er faſt erſchrak,
als er endlich die Stimme ſeiner Tante hörte.
Eilig ſtand er auf und ging den Damen
entgegen. Mit einem: „Willkommen, mein
Sohn!“ umarmte ihn die Commerzienräthin
und fügte, gegen Clara gewendet, hinzu: „Nun,
da iſt er! Ich will wie eine ächte Romanmutter,
die ich Euch immer war, den zärtlichen Erguß
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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