"Vergib mir, William", bat Clara, "wenn ich Dir verschwieg, was wir erst vor wenigen Wochen uns selbst gestanden, um es für ewig vergessen zu müssen. Niemand weiß davon, und von Dir, von Deiner Großmuth erflehe ich es als die höchste Gunst, daß Du selbst dem Anspruche an meine Hand entsagst und mir beistehst, die Verzeihung meiner Mutter zu er- langen. Sie wird unerbittlich darauf dringen, daß ich ihr Wort löse und Dir meine Hand gebe, die doch ohne Werth für Dich sein muß, nun Du Alles weißt."
William hatte sich ruhig wieder niedergesetzt und sah düster sinnend vor sich nieder. Die widersprechendsten Gefühle wogten in seiner Brust. Ein paarmal war es, als ob er seinen Gedanken Worte geben wolle, dann aber unter- drückte er sie wieder, wie wenn er das rechte noch nicht gefunden hätte, bis er endlich auf- stand, Clara die Hand reichte, und sagte: "Du
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„Vergib mir, William“, bat Clara, „wenn ich Dir verſchwieg, was wir erſt vor wenigen Wochen uns ſelbſt geſtanden, um es für ewig vergeſſen zu müſſen. Niemand weiß davon, und von Dir, von Deiner Großmuth erflehe ich es als die höchſte Gunſt, daß Du ſelbſt dem Anſpruche an meine Hand entſagſt und mir beiſtehſt, die Verzeihung meiner Mutter zu er- langen. Sie wird unerbittlich darauf dringen, daß ich ihr Wort löſe und Dir meine Hand gebe, die doch ohne Werth für Dich ſein muß, nun Du Alles weißt.“
William hatte ſich ruhig wieder niedergeſetzt und ſah düſter ſinnend vor ſich nieder. Die widerſprechendſten Gefühle wogten in ſeiner Bruſt. Ein paarmal war es, als ob er ſeinen Gedanken Worte geben wolle, dann aber unter- drückte er ſie wieder, wie wenn er das rechte noch nicht gefunden hätte, bis er endlich auf- ſtand, Clara die Hand reichte, und ſagte: „Du
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„Vergib mir, William“, bat Clara, „wenn
ich Dir verſchwieg, was wir erſt vor wenigen
Wochen uns ſelbſt geſtanden, um es für ewig
vergeſſen zu müſſen. Niemand weiß davon,
und von Dir, von Deiner Großmuth erflehe
ich es als die höchſte Gunſt, daß Du ſelbſt dem
Anſpruche an meine Hand entſagſt und mir
beiſtehſt, die Verzeihung meiner Mutter zu er-
langen. Sie wird unerbittlich darauf dringen,
daß ich ihr Wort löſe und Dir meine Hand
gebe, die doch ohne Werth für Dich ſein muß,
nun Du Alles weißt.“
William hatte ſich ruhig wieder niedergeſetzt
und ſah düſter ſinnend vor ſich nieder. Die
widerſprechendſten Gefühle wogten in ſeiner
Bruſt. Ein paarmal war es, als ob er ſeinen
Gedanken Worte geben wolle, dann aber unter-
drückte er ſie wieder, wie wenn er das rechte
noch nicht gefunden hätte, bis er endlich auf-
ſtand, Clara die Hand reichte, und ſagte: „Du
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/85>, abgerufen am 21.11.2024.
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