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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich gab Bescheid, so gut es möglich war, und als unsere Mutter wiederkehrte, machte ich ihr den Vorschlag, den ich als Bitte aussprach, sie möge doch mit Carolinen nach dem Kranken sehen. Sie hatte für ihre Person schon selbst daran gedacht, und es kostete kaum eine Ueberredung, daß sie Carolinen mit sich nahm. Man war es damals so gewohnt, junge Frauenzimmer an dem Krankenbette und bei den Verwundeten zu sehen, daß solch ein Besuch als etwas sehr Natürliches erschien. Wir packten einige Orangen und andere Erfrischungen zusammen, dann machten sie sich auf den Weg, und ich genoß die einzige Wohlthat, für die ich in diesem Augenblick empfänglich war, -- ich blieb allein.

Daß Klemenz sterben würde, war mir außer allem Zweifel, daß ich seinen Tod herbeigeführt, daß Gott ihn zulasse zu meiner Strafe, das stand ebenso unumstößlich in mir fest, und mit meinem blutenden, geängstigten Herzen flüchtete ich zu ihm, der Alles weiß und die Quelle aller Gnade ist. Im strengen Calvinismus auferzogen, kniete ich zum erstenmale in meinem Leben zum Gebete nieder, und laut betend mit einer bis dahin nie empfundenen Inbrunst flehte ich um Trost und Rath.

Mögen die modernen Philosophen auch das Dasein eines Gottes läugnen und den Menschen als das Höchste bezeichnen -- wer sich so herzzerrissen und rathlos, so ohnmächtig und hülfsbedürftig fühlt, wie ich in

Ich gab Bescheid, so gut es möglich war, und als unsere Mutter wiederkehrte, machte ich ihr den Vorschlag, den ich als Bitte aussprach, sie möge doch mit Carolinen nach dem Kranken sehen. Sie hatte für ihre Person schon selbst daran gedacht, und es kostete kaum eine Ueberredung, daß sie Carolinen mit sich nahm. Man war es damals so gewohnt, junge Frauenzimmer an dem Krankenbette und bei den Verwundeten zu sehen, daß solch ein Besuch als etwas sehr Natürliches erschien. Wir packten einige Orangen und andere Erfrischungen zusammen, dann machten sie sich auf den Weg, und ich genoß die einzige Wohlthat, für die ich in diesem Augenblick empfänglich war, — ich blieb allein.

Daß Klemenz sterben würde, war mir außer allem Zweifel, daß ich seinen Tod herbeigeführt, daß Gott ihn zulasse zu meiner Strafe, das stand ebenso unumstößlich in mir fest, und mit meinem blutenden, geängstigten Herzen flüchtete ich zu ihm, der Alles weiß und die Quelle aller Gnade ist. Im strengen Calvinismus auferzogen, kniete ich zum erstenmale in meinem Leben zum Gebete nieder, und laut betend mit einer bis dahin nie empfundenen Inbrunst flehte ich um Trost und Rath.

Mögen die modernen Philosophen auch das Dasein eines Gottes läugnen und den Menschen als das Höchste bezeichnen — wer sich so herzzerrissen und rathlos, so ohnmächtig und hülfsbedürftig fühlt, wie ich in

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[0104] Ich gab Bescheid, so gut es möglich war, und als unsere Mutter wiederkehrte, machte ich ihr den Vorschlag, den ich als Bitte aussprach, sie möge doch mit Carolinen nach dem Kranken sehen. Sie hatte für ihre Person schon selbst daran gedacht, und es kostete kaum eine Ueberredung, daß sie Carolinen mit sich nahm. Man war es damals so gewohnt, junge Frauenzimmer an dem Krankenbette und bei den Verwundeten zu sehen, daß solch ein Besuch als etwas sehr Natürliches erschien. Wir packten einige Orangen und andere Erfrischungen zusammen, dann machten sie sich auf den Weg, und ich genoß die einzige Wohlthat, für die ich in diesem Augenblick empfänglich war, — ich blieb allein. Daß Klemenz sterben würde, war mir außer allem Zweifel, daß ich seinen Tod herbeigeführt, daß Gott ihn zulasse zu meiner Strafe, das stand ebenso unumstößlich in mir fest, und mit meinem blutenden, geängstigten Herzen flüchtete ich zu ihm, der Alles weiß und die Quelle aller Gnade ist. Im strengen Calvinismus auferzogen, kniete ich zum erstenmale in meinem Leben zum Gebete nieder, und laut betend mit einer bis dahin nie empfundenen Inbrunst flehte ich um Trost und Rath. Mögen die modernen Philosophen auch das Dasein eines Gottes läugnen und den Menschen als das Höchste bezeichnen — wer sich so herzzerrissen und rathlos, so ohnmächtig und hülfsbedürftig fühlt, wie ich in

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/104>, abgerufen am 22.11.2024.