Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

gefällt, mein Kind, so nenne es eine müßige Beschäftigung; denn es kommt nicht viel mehr dabei heraus, als daß ihr keine Langeweile habt. Aber was wußte ich, was wußten eure Mütter von den Wissenschaften? Und wir haben doch Alle unsere Männer zufrieden gestellt und Alle glücklich mit ihnen gelebt, und ihr findet euch ja von euren Müttern so unübertrefflich erzogen, daß ihr selber wieder Mustererziehungen an euren Töchtern zu vollenden gedenkt. Bleibt also nur ruhig bei der alten Weise, die Wissenschaft ist unkleidsam für Frauen.

Wir Alle kannten die oftmals ausgesprochene Abneigung der guten Tante gegen diese Art der modernen Frauenerziehung, die sie ohne Weiteres als einen Theil der schlimmen Emancipations-Ideen bezeichnete, und ihr Zorn gegen dieselbe hatte uns schon oft belustigt. Auch widersprach ihr von den Andern Niemand. Nur ich konnte es nicht lassen, sie damit zu necken, und ich durfte mir auch etwas herausnehmen, weil ich, als die älteste von ihren Nichten, stets ihr besonderer Günstling gewesen war. Aber, Tante! sagte ich, du schüttest heut wirklich einmal wieder das Kind mit dem Bade aus; was hast du eigentlich gegen die ernstere Bildung des weiblichen Geschlechtes?

Die Tante sah mich ganz verwundert an. Läßt du dich auch bestechen? sprach sie, und bist doch die Einzige von Allen, die sich ihr bischen Phantasie mit Wissen nicht verdorben hat. Was ich dagegen habe?

gefällt, mein Kind, so nenne es eine müßige Beschäftigung; denn es kommt nicht viel mehr dabei heraus, als daß ihr keine Langeweile habt. Aber was wußte ich, was wußten eure Mütter von den Wissenschaften? Und wir haben doch Alle unsere Männer zufrieden gestellt und Alle glücklich mit ihnen gelebt, und ihr findet euch ja von euren Müttern so unübertrefflich erzogen, daß ihr selber wieder Mustererziehungen an euren Töchtern zu vollenden gedenkt. Bleibt also nur ruhig bei der alten Weise, die Wissenschaft ist unkleidsam für Frauen.

Wir Alle kannten die oftmals ausgesprochene Abneigung der guten Tante gegen diese Art der modernen Frauenerziehung, die sie ohne Weiteres als einen Theil der schlimmen Emancipations-Ideen bezeichnete, und ihr Zorn gegen dieselbe hatte uns schon oft belustigt. Auch widersprach ihr von den Andern Niemand. Nur ich konnte es nicht lassen, sie damit zu necken, und ich durfte mir auch etwas herausnehmen, weil ich, als die älteste von ihren Nichten, stets ihr besonderer Günstling gewesen war. Aber, Tante! sagte ich, du schüttest heut wirklich einmal wieder das Kind mit dem Bade aus; was hast du eigentlich gegen die ernstere Bildung des weiblichen Geschlechtes?

Die Tante sah mich ganz verwundert an. Läßt du dich auch bestechen? sprach sie, und bist doch die Einzige von Allen, die sich ihr bischen Phantasie mit Wissen nicht verdorben hat. Was ich dagegen habe?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012"/>
gefällt, mein Kind, so nenne es eine müßige      Beschäftigung; denn es kommt nicht viel mehr dabei heraus, als daß ihr keine Langeweile habt.      Aber was wußte ich, was wußten eure Mütter von den Wissenschaften? Und wir haben doch Alle      unsere Männer zufrieden gestellt und Alle glücklich mit ihnen gelebt, und ihr findet euch ja      von euren Müttern so unübertrefflich erzogen, daß ihr selber wieder Mustererziehungen an euren      Töchtern zu vollenden gedenkt. Bleibt also nur ruhig bei der alten Weise, die Wissenschaft ist      unkleidsam für Frauen.</p><lb/>
        <p>Wir Alle kannten die oftmals ausgesprochene Abneigung der guten Tante gegen diese Art der      modernen Frauenerziehung, die sie ohne Weiteres als einen Theil der schlimmen      Emancipations-Ideen bezeichnete, und ihr Zorn gegen dieselbe hatte uns schon oft belustigt.      Auch widersprach ihr von den Andern Niemand. Nur ich konnte es nicht lassen, sie damit zu      necken, und ich durfte mir auch etwas herausnehmen, weil ich, als die älteste von ihren      Nichten, stets ihr besonderer Günstling gewesen war. Aber, Tante! sagte ich, du schüttest heut      wirklich einmal wieder das Kind mit dem Bade aus; was hast du eigentlich gegen die ernstere      Bildung des weiblichen Geschlechtes?</p><lb/>
        <p>Die Tante sah mich ganz verwundert an. Läßt du dich auch bestechen? sprach sie, und bist doch      die Einzige von Allen, die sich ihr bischen Phantasie mit Wissen nicht verdorben hat. Was ich      dagegen habe?<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] gefällt, mein Kind, so nenne es eine müßige Beschäftigung; denn es kommt nicht viel mehr dabei heraus, als daß ihr keine Langeweile habt. Aber was wußte ich, was wußten eure Mütter von den Wissenschaften? Und wir haben doch Alle unsere Männer zufrieden gestellt und Alle glücklich mit ihnen gelebt, und ihr findet euch ja von euren Müttern so unübertrefflich erzogen, daß ihr selber wieder Mustererziehungen an euren Töchtern zu vollenden gedenkt. Bleibt also nur ruhig bei der alten Weise, die Wissenschaft ist unkleidsam für Frauen. Wir Alle kannten die oftmals ausgesprochene Abneigung der guten Tante gegen diese Art der modernen Frauenerziehung, die sie ohne Weiteres als einen Theil der schlimmen Emancipations-Ideen bezeichnete, und ihr Zorn gegen dieselbe hatte uns schon oft belustigt. Auch widersprach ihr von den Andern Niemand. Nur ich konnte es nicht lassen, sie damit zu necken, und ich durfte mir auch etwas herausnehmen, weil ich, als die älteste von ihren Nichten, stets ihr besonderer Günstling gewesen war. Aber, Tante! sagte ich, du schüttest heut wirklich einmal wieder das Kind mit dem Bade aus; was hast du eigentlich gegen die ernstere Bildung des weiblichen Geschlechtes? Die Tante sah mich ganz verwundert an. Läßt du dich auch bestechen? sprach sie, und bist doch die Einzige von Allen, die sich ihr bischen Phantasie mit Wissen nicht verdorben hat. Was ich dagegen habe?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/12
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/12>, abgerufen am 21.11.2024.