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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schlüssel klappern und hörte, wie die Großmutter zu Caroline sagte, sie wolle jetzt das Silber wegthun. Der große Augenblick, in dem der Schrank sich öffnen mußte, war also da, und ich schlich leise von dem Fenster nach einem Platz, auf dem ich den vollen Anblick der geahnten Wunder zu genießen hoffte.

Wunderbar war nun freilich in dem Schranke nichts, aber zu sehen hatte ich genug. Die ganze eine Seite lag voll von blendend weißer, glänzender Wäsche, die mit rothen breiten Bändern schön in Päcke gebunden war, die andere stand von oben bis unten voll spiegelhellem Silberzeug, daß sie aussah, wie eines Goldschmieds Ladenfenster. Caroline mußte das Alles wohl auch zum erstenmale erblicken, denn sie that einen Ausruf der höchsten Ueberraschung, aber die Großmutter faßte sie bei der Hand und befahl ihr leise, still zu sein, während sie sich nach mir umsah und mich fragte, was ich thäte.

Ich huschte erschrocken in meine alte Fensterecke, gab aber nur um so gespannter Achtung auf Alles, was im Zimmer vorging, und so erinnere ich mich, als wäre es gestern erst geschehen, wie die Großmutter die Schrankthüren von beiden Seiten etwas zusammenschlug, daß sie und Caroline darin fast wie in einem Schilderhäuschen standen.

Caroline! sagte die Großmutter, weil ein Tag, wie dieser, uns nicht wiederkommt, so sollst du heute Alles wissen, damit du mich im Angedenken hältst,

Schlüssel klappern und hörte, wie die Großmutter zu Caroline sagte, sie wolle jetzt das Silber wegthun. Der große Augenblick, in dem der Schrank sich öffnen mußte, war also da, und ich schlich leise von dem Fenster nach einem Platz, auf dem ich den vollen Anblick der geahnten Wunder zu genießen hoffte.

Wunderbar war nun freilich in dem Schranke nichts, aber zu sehen hatte ich genug. Die ganze eine Seite lag voll von blendend weißer, glänzender Wäsche, die mit rothen breiten Bändern schön in Päcke gebunden war, die andere stand von oben bis unten voll spiegelhellem Silberzeug, daß sie aussah, wie eines Goldschmieds Ladenfenster. Caroline mußte das Alles wohl auch zum erstenmale erblicken, denn sie that einen Ausruf der höchsten Ueberraschung, aber die Großmutter faßte sie bei der Hand und befahl ihr leise, still zu sein, während sie sich nach mir umsah und mich fragte, was ich thäte.

Ich huschte erschrocken in meine alte Fensterecke, gab aber nur um so gespannter Achtung auf Alles, was im Zimmer vorging, und so erinnere ich mich, als wäre es gestern erst geschehen, wie die Großmutter die Schrankthüren von beiden Seiten etwas zusammenschlug, daß sie und Caroline darin fast wie in einem Schilderhäuschen standen.

Caroline! sagte die Großmutter, weil ein Tag, wie dieser, uns nicht wiederkommt, so sollst du heute Alles wissen, damit du mich im Angedenken hältst,

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[0034] Schlüssel klappern und hörte, wie die Großmutter zu Caroline sagte, sie wolle jetzt das Silber wegthun. Der große Augenblick, in dem der Schrank sich öffnen mußte, war also da, und ich schlich leise von dem Fenster nach einem Platz, auf dem ich den vollen Anblick der geahnten Wunder zu genießen hoffte. Wunderbar war nun freilich in dem Schranke nichts, aber zu sehen hatte ich genug. Die ganze eine Seite lag voll von blendend weißer, glänzender Wäsche, die mit rothen breiten Bändern schön in Päcke gebunden war, die andere stand von oben bis unten voll spiegelhellem Silberzeug, daß sie aussah, wie eines Goldschmieds Ladenfenster. Caroline mußte das Alles wohl auch zum erstenmale erblicken, denn sie that einen Ausruf der höchsten Ueberraschung, aber die Großmutter faßte sie bei der Hand und befahl ihr leise, still zu sein, während sie sich nach mir umsah und mich fragte, was ich thäte. Ich huschte erschrocken in meine alte Fensterecke, gab aber nur um so gespannter Achtung auf Alles, was im Zimmer vorging, und so erinnere ich mich, als wäre es gestern erst geschehen, wie die Großmutter die Schrankthüren von beiden Seiten etwas zusammenschlug, daß sie und Caroline darin fast wie in einem Schilderhäuschen standen. Caroline! sagte die Großmutter, weil ein Tag, wie dieser, uns nicht wiederkommt, so sollst du heute Alles wissen, damit du mich im Angedenken hältst,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/34>, abgerufen am 27.04.2024.