Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ja keinen Schmuck! -- Ich, nein, Gott Lob! so thöricht bin ich nicht; aber du sollst's haben, du sollst's tragen, Liebling, du sollst Alles haben, du allein! Sie nahm dabei die Ohrringe, das Halsband, die Armbänder und die Brustnadel von dem dunkelblauen Sammetboden auf und fing an, Carolinen damit zu putzen, die in ihrer Freude sich kaum zu fassen wußte. Sie lief vom Spiegel zum Fenster, vom Fenster zur Großmutter, und je entzückter sie zu sein schien, desto mehr holte die Großmutter aus dem Schranke für sie hervor: Spitzen, Schmuck und Alles durcheinander. Caroline griff bald nach Diesem, bald nach Jenem, probirte das Eine und das Andere an, bis die Großmutter es ihr wieder nahm und es weg that, und Caroline rief dabei, von Zeit zu Zeit die Großmutter umarmend: Also das ist mein, das schenkst du mir, das ist mein? -- Ja dein! nur dein, mein Herzchen! sagte die Großmutter und lachte wieder. Sie sollen doch sehen, daß ich meine Augen habe, sie sollen schon noch merken, wozu es gut ist, was auf mich zu halten, Carolinchen! -- Aber wann soll ich das bekommen, Großmama? fragte Caroline. -- Wann? Zum Hochzeitstag, mein Herzchen! Zum Hochzeitstag! Mach nur, daß du heraus kommst unter Leute, und sprich kein Wort davon, kein Wort, zu Niemand, hörst du, Carolinchen? Sie redeten darauf noch eine Weile fort, bis die Großmama den Schmuck verwahrte, den Schrank verschloß und wir mit ihr nach unserem Hause gingen. ja keinen Schmuck! — Ich, nein, Gott Lob! so thöricht bin ich nicht; aber du sollst's haben, du sollst's tragen, Liebling, du sollst Alles haben, du allein! Sie nahm dabei die Ohrringe, das Halsband, die Armbänder und die Brustnadel von dem dunkelblauen Sammetboden auf und fing an, Carolinen damit zu putzen, die in ihrer Freude sich kaum zu fassen wußte. Sie lief vom Spiegel zum Fenster, vom Fenster zur Großmutter, und je entzückter sie zu sein schien, desto mehr holte die Großmutter aus dem Schranke für sie hervor: Spitzen, Schmuck und Alles durcheinander. Caroline griff bald nach Diesem, bald nach Jenem, probirte das Eine und das Andere an, bis die Großmutter es ihr wieder nahm und es weg that, und Caroline rief dabei, von Zeit zu Zeit die Großmutter umarmend: Also das ist mein, das schenkst du mir, das ist mein? — Ja dein! nur dein, mein Herzchen! sagte die Großmutter und lachte wieder. Sie sollen doch sehen, daß ich meine Augen habe, sie sollen schon noch merken, wozu es gut ist, was auf mich zu halten, Carolinchen! — Aber wann soll ich das bekommen, Großmama? fragte Caroline. — Wann? Zum Hochzeitstag, mein Herzchen! Zum Hochzeitstag! Mach nur, daß du heraus kommst unter Leute, und sprich kein Wort davon, kein Wort, zu Niemand, hörst du, Carolinchen? Sie redeten darauf noch eine Weile fort, bis die Großmama den Schmuck verwahrte, den Schrank verschloß und wir mit ihr nach unserem Hause gingen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0036"/> ja keinen Schmuck! — Ich, nein, Gott Lob! so thöricht bin ich nicht; aber du sollst's haben, du sollst's tragen, Liebling, du sollst Alles haben, du allein! Sie nahm dabei die Ohrringe, das Halsband, die Armbänder und die Brustnadel von dem dunkelblauen Sammetboden auf und fing an, Carolinen damit zu putzen, die in ihrer Freude sich kaum zu fassen wußte. Sie lief vom Spiegel zum Fenster, vom Fenster zur Großmutter, und je entzückter sie zu sein schien, desto mehr holte die Großmutter aus dem Schranke für sie hervor: Spitzen, Schmuck und Alles durcheinander.</p><lb/> <p>Caroline griff bald nach Diesem, bald nach Jenem, probirte das Eine und das Andere an, bis die Großmutter es ihr wieder nahm und es weg that, und Caroline rief dabei, von Zeit zu Zeit die Großmutter umarmend: Also das ist mein, das schenkst du mir, das ist mein? — Ja dein! nur dein, mein Herzchen! sagte die Großmutter und lachte wieder. Sie sollen doch sehen, daß ich meine Augen habe, sie sollen schon noch merken, wozu es gut ist, was auf mich zu halten, Carolinchen! — Aber wann soll ich das bekommen, Großmama? fragte Caroline. — Wann? Zum Hochzeitstag, mein Herzchen! Zum Hochzeitstag! Mach nur, daß du heraus kommst unter Leute, und sprich kein Wort davon, kein Wort, zu Niemand, hörst du, Carolinchen? Sie redeten darauf noch eine Weile fort, bis die Großmama den Schmuck verwahrte, den Schrank verschloß und wir mit ihr nach unserem Hause gingen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
ja keinen Schmuck! — Ich, nein, Gott Lob! so thöricht bin ich nicht; aber du sollst's haben, du sollst's tragen, Liebling, du sollst Alles haben, du allein! Sie nahm dabei die Ohrringe, das Halsband, die Armbänder und die Brustnadel von dem dunkelblauen Sammetboden auf und fing an, Carolinen damit zu putzen, die in ihrer Freude sich kaum zu fassen wußte. Sie lief vom Spiegel zum Fenster, vom Fenster zur Großmutter, und je entzückter sie zu sein schien, desto mehr holte die Großmutter aus dem Schranke für sie hervor: Spitzen, Schmuck und Alles durcheinander.
Caroline griff bald nach Diesem, bald nach Jenem, probirte das Eine und das Andere an, bis die Großmutter es ihr wieder nahm und es weg that, und Caroline rief dabei, von Zeit zu Zeit die Großmutter umarmend: Also das ist mein, das schenkst du mir, das ist mein? — Ja dein! nur dein, mein Herzchen! sagte die Großmutter und lachte wieder. Sie sollen doch sehen, daß ich meine Augen habe, sie sollen schon noch merken, wozu es gut ist, was auf mich zu halten, Carolinchen! — Aber wann soll ich das bekommen, Großmama? fragte Caroline. — Wann? Zum Hochzeitstag, mein Herzchen! Zum Hochzeitstag! Mach nur, daß du heraus kommst unter Leute, und sprich kein Wort davon, kein Wort, zu Niemand, hörst du, Carolinchen? Sie redeten darauf noch eine Weile fort, bis die Großmama den Schmuck verwahrte, den Schrank verschloß und wir mit ihr nach unserem Hause gingen.
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