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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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eigenen Gewissen, aber wenn einmal der böse Geist über einen Mann gekommen ist, da rennt er lieber mit dem Kopfe in sein Unglück, eh' er einen Irrthum oder gar ein Unrecht eingesteht. Nun, Schlichting's wegen! sagte er mit dem Trotze eines Menschen, der sich auf einem falschen Boden weiß, aber er konnte kein Auge aufheben und auch den Blick der Mutter nicht ertragen.

Schlichting's wegen? fragte sie, und eine böse Ahnung dämmerte in ihr auf. Was soll's mit Schlichting, was hat die Mutter dir gesagt? -- Die Mutter? rief er, wie kommst du auf die Mutter? Es verdroß ihn, daß seine Frau ihn abhängig von den Einflüssen der Mutter glaubte, und, sich in seinem Wahne befestigend, setzte er hinzu: Ich habe Augen, selbst zu sehen! -- Du hast gesunde Augen und ein reines Herz, so Niedriges kommt nicht von dir! sagte die Mutter und sah ihm dabei mit ihren großen, klaren Augen offen und ruhig in das Antlitz. Diese Ruhe entwaffnete ihn plötzlich. Er war nicht mehr im Stande, sie anzuklagen, aber die Wunde, welche seine Mutter seinem Herzen und seinem Stolze beigebracht, blutete doch fort, und er wendete sich mit einem schweren Seufzer von ihr ab, während das Gefühl seines Unglücks in jedem seiner Züge zu lesen war.

Die Mutter hielt's nicht aus, ihn so zu sehen. Sie vergaß das Unrecht, das er ihr gethan. Anton! sagte sie, indem sie seine Hand ergriff, ich bin seit

eigenen Gewissen, aber wenn einmal der böse Geist über einen Mann gekommen ist, da rennt er lieber mit dem Kopfe in sein Unglück, eh' er einen Irrthum oder gar ein Unrecht eingesteht. Nun, Schlichting's wegen! sagte er mit dem Trotze eines Menschen, der sich auf einem falschen Boden weiß, aber er konnte kein Auge aufheben und auch den Blick der Mutter nicht ertragen.

Schlichting's wegen? fragte sie, und eine böse Ahnung dämmerte in ihr auf. Was soll's mit Schlichting, was hat die Mutter dir gesagt? — Die Mutter? rief er, wie kommst du auf die Mutter? Es verdroß ihn, daß seine Frau ihn abhängig von den Einflüssen der Mutter glaubte, und, sich in seinem Wahne befestigend, setzte er hinzu: Ich habe Augen, selbst zu sehen! — Du hast gesunde Augen und ein reines Herz, so Niedriges kommt nicht von dir! sagte die Mutter und sah ihm dabei mit ihren großen, klaren Augen offen und ruhig in das Antlitz. Diese Ruhe entwaffnete ihn plötzlich. Er war nicht mehr im Stande, sie anzuklagen, aber die Wunde, welche seine Mutter seinem Herzen und seinem Stolze beigebracht, blutete doch fort, und er wendete sich mit einem schweren Seufzer von ihr ab, während das Gefühl seines Unglücks in jedem seiner Züge zu lesen war.

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[0044] eigenen Gewissen, aber wenn einmal der böse Geist über einen Mann gekommen ist, da rennt er lieber mit dem Kopfe in sein Unglück, eh' er einen Irrthum oder gar ein Unrecht eingesteht. Nun, Schlichting's wegen! sagte er mit dem Trotze eines Menschen, der sich auf einem falschen Boden weiß, aber er konnte kein Auge aufheben und auch den Blick der Mutter nicht ertragen. Schlichting's wegen? fragte sie, und eine böse Ahnung dämmerte in ihr auf. Was soll's mit Schlichting, was hat die Mutter dir gesagt? — Die Mutter? rief er, wie kommst du auf die Mutter? Es verdroß ihn, daß seine Frau ihn abhängig von den Einflüssen der Mutter glaubte, und, sich in seinem Wahne befestigend, setzte er hinzu: Ich habe Augen, selbst zu sehen! — Du hast gesunde Augen und ein reines Herz, so Niedriges kommt nicht von dir! sagte die Mutter und sah ihm dabei mit ihren großen, klaren Augen offen und ruhig in das Antlitz. Diese Ruhe entwaffnete ihn plötzlich. Er war nicht mehr im Stande, sie anzuklagen, aber die Wunde, welche seine Mutter seinem Herzen und seinem Stolze beigebracht, blutete doch fort, und er wendete sich mit einem schweren Seufzer von ihr ab, während das Gefühl seines Unglücks in jedem seiner Züge zu lesen war. Die Mutter hielt's nicht aus, ihn so zu sehen. Sie vergaß das Unrecht, das er ihr gethan. Anton! sagte sie, indem sie seine Hand ergriff, ich bin seit

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/44>, abgerufen am 21.11.2024.