Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ster im Hauptquartier gewesen und kam mit ihm noch einmal nach der Residenz, ehe sie nach Preußen gingen. Die Eltern weinten Beide, Schlichting war ernst und still. Wir Kinder klammerten uns schluchzend an ihn, denn wir hatten unsere Phantasie jetzt nur voll Krieg und Schlachten und Todesfälle und meinten, da der Onkel fortgehe, werde er auch im Krieg sein Leben lassen müssen.

Am nächstfolgenden Abende aber mußte das Haus erleuchtet werden, denn der Kaiser Napoleon zog ein, und mitten in unserer Trauer um den Onkel fingen wir doch an, uns der Paraden und der Illuminationen zu freuen. Es wurden mit einemmale wieder Feste in der Stadt gegeben; die Wohlhabenden durften sich kaum davon entfernt halten; die Offiziere, welche überall in den Familien einquartiert waren, brachten auch ein neues Leben in die Geselligkeit; indeß wir merkten doch, wie niedergeschlagen die Mutter war, wenn sie ihre Toilette für die Feste machte, und wie wenig die Gastfreundschaft für die fremden Offiziere den Eltern von Herzen ging.

Wir hatten Alle von Kindheit an das Französische womöglich wie unsere Muttersprache reden lernen, denn unsern Eltern war es in der That angeboren, aber weder der Vater noch die Mutter mochten es mit uns oder mit einander sprechen, seit die Franzosen als Feinde unseres Königs im Lande waren; nur Caroline legte jetzt einen doppelten Werth darauf.

ster im Hauptquartier gewesen und kam mit ihm noch einmal nach der Residenz, ehe sie nach Preußen gingen. Die Eltern weinten Beide, Schlichting war ernst und still. Wir Kinder klammerten uns schluchzend an ihn, denn wir hatten unsere Phantasie jetzt nur voll Krieg und Schlachten und Todesfälle und meinten, da der Onkel fortgehe, werde er auch im Krieg sein Leben lassen müssen.

Am nächstfolgenden Abende aber mußte das Haus erleuchtet werden, denn der Kaiser Napoleon zog ein, und mitten in unserer Trauer um den Onkel fingen wir doch an, uns der Paraden und der Illuminationen zu freuen. Es wurden mit einemmale wieder Feste in der Stadt gegeben; die Wohlhabenden durften sich kaum davon entfernt halten; die Offiziere, welche überall in den Familien einquartiert waren, brachten auch ein neues Leben in die Geselligkeit; indeß wir merkten doch, wie niedergeschlagen die Mutter war, wenn sie ihre Toilette für die Feste machte, und wie wenig die Gastfreundschaft für die fremden Offiziere den Eltern von Herzen ging.

Wir hatten Alle von Kindheit an das Französische womöglich wie unsere Muttersprache reden lernen, denn unsern Eltern war es in der That angeboren, aber weder der Vater noch die Mutter mochten es mit uns oder mit einander sprechen, seit die Franzosen als Feinde unseres Königs im Lande waren; nur Caroline legte jetzt einen doppelten Werth darauf.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0049"/>
ster im Hauptquartier gewesen und kam      mit ihm noch einmal nach der Residenz, ehe sie nach Preußen gingen. Die Eltern weinten Beide,      Schlichting war ernst und still. Wir Kinder klammerten uns schluchzend an ihn, denn wir hatten      unsere Phantasie jetzt nur voll Krieg und Schlachten und Todesfälle und meinten, da der Onkel      fortgehe, werde er auch im Krieg sein Leben lassen müssen.</p><lb/>
          <p>Am nächstfolgenden Abende aber mußte das Haus erleuchtet werden, denn der Kaiser Napoleon zog      ein, und mitten in unserer Trauer um den Onkel fingen wir doch an, uns der Paraden und der      Illuminationen zu freuen. Es wurden mit einemmale wieder Feste in der Stadt gegeben; die      Wohlhabenden durften sich kaum davon entfernt halten; die Offiziere, welche überall in den      Familien einquartiert waren, brachten auch ein neues Leben in die Geselligkeit; indeß wir      merkten doch, wie niedergeschlagen die Mutter war, wenn sie ihre Toilette für die Feste machte,      und wie wenig die Gastfreundschaft für die fremden Offiziere den Eltern von Herzen ging.</p><lb/>
          <p>Wir hatten Alle von Kindheit an das Französische womöglich wie unsere Muttersprache reden      lernen, denn unsern Eltern war es in der That angeboren, aber weder der Vater noch die Mutter      mochten es mit uns oder mit einander sprechen, seit die Franzosen als Feinde unseres Königs im      Lande waren; nur Caroline legte jetzt einen doppelten Werth darauf.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0049] ster im Hauptquartier gewesen und kam mit ihm noch einmal nach der Residenz, ehe sie nach Preußen gingen. Die Eltern weinten Beide, Schlichting war ernst und still. Wir Kinder klammerten uns schluchzend an ihn, denn wir hatten unsere Phantasie jetzt nur voll Krieg und Schlachten und Todesfälle und meinten, da der Onkel fortgehe, werde er auch im Krieg sein Leben lassen müssen. Am nächstfolgenden Abende aber mußte das Haus erleuchtet werden, denn der Kaiser Napoleon zog ein, und mitten in unserer Trauer um den Onkel fingen wir doch an, uns der Paraden und der Illuminationen zu freuen. Es wurden mit einemmale wieder Feste in der Stadt gegeben; die Wohlhabenden durften sich kaum davon entfernt halten; die Offiziere, welche überall in den Familien einquartiert waren, brachten auch ein neues Leben in die Geselligkeit; indeß wir merkten doch, wie niedergeschlagen die Mutter war, wenn sie ihre Toilette für die Feste machte, und wie wenig die Gastfreundschaft für die fremden Offiziere den Eltern von Herzen ging. Wir hatten Alle von Kindheit an das Französische womöglich wie unsere Muttersprache reden lernen, denn unsern Eltern war es in der That angeboren, aber weder der Vater noch die Mutter mochten es mit uns oder mit einander sprechen, seit die Franzosen als Feinde unseres Königs im Lande waren; nur Caroline legte jetzt einen doppelten Werth darauf.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/49
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/49>, abgerufen am 21.11.2024.