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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gewesen, und auch wir hatten von Kindheit an gelernt, sie heilig zu halten. Jetzt, wo der erste Hoffnungsstrahl zur Befreiung Preußens aufging, war unsere ganze Seele darauf gerichtet, und selbst Caroline, die sonst allein unter uns diesen Empfindungen fremd geblieben, glaubte jetzt Deutschland zu lieben, weil sie den Franzosen haßte, der ihr seine Treue gebrochen hatte.

Wo man sich auch befand, im eigenen Hause, in der Gesellschaft oder am öffentlichen Orte, überall war man von Franzosen umgeben, überall sah man sich genöthigt, sein Inneres zu verbergen; aber überall suchten die Blicke nach Trost, überall trat man zusammen, um aus dem Munde Gleichgesinnter Nachrichten aus Königsberg, aus dem Hauptquartier York's, aus den aufgestandenen Provinzen zu erhalten. Wer dorthin gesendet wurde, den pries man glücklich, daß er die Erhebung mit eigenen Augen sehen sollte, wer von dort kam, wurde wie der Träger göttlicher Offenbarung begrüßt.

Aber je größer die Theilnahme für die deutsche Sache wurde, je unverkennbarer die allgemeine Begeisterung für dieselbe sich kund gab, um so ängstlicher und drückender wurden wir vom Mißtrauen der Franzosen überwacht. Niemand war sicher in seinen vier Wänden, selbst den König glaubte man im Schlosse zu Potsdam schon gefährdet, obschon er es immer noch mit den Franzosen hielt, bis plötzlich sich die Nachricht in Berlin verbreitete, der König habe Potsdam

gewesen, und auch wir hatten von Kindheit an gelernt, sie heilig zu halten. Jetzt, wo der erste Hoffnungsstrahl zur Befreiung Preußens aufging, war unsere ganze Seele darauf gerichtet, und selbst Caroline, die sonst allein unter uns diesen Empfindungen fremd geblieben, glaubte jetzt Deutschland zu lieben, weil sie den Franzosen haßte, der ihr seine Treue gebrochen hatte.

Wo man sich auch befand, im eigenen Hause, in der Gesellschaft oder am öffentlichen Orte, überall war man von Franzosen umgeben, überall sah man sich genöthigt, sein Inneres zu verbergen; aber überall suchten die Blicke nach Trost, überall trat man zusammen, um aus dem Munde Gleichgesinnter Nachrichten aus Königsberg, aus dem Hauptquartier York's, aus den aufgestandenen Provinzen zu erhalten. Wer dorthin gesendet wurde, den pries man glücklich, daß er die Erhebung mit eigenen Augen sehen sollte, wer von dort kam, wurde wie der Träger göttlicher Offenbarung begrüßt.

Aber je größer die Theilnahme für die deutsche Sache wurde, je unverkennbarer die allgemeine Begeisterung für dieselbe sich kund gab, um so ängstlicher und drückender wurden wir vom Mißtrauen der Franzosen überwacht. Niemand war sicher in seinen vier Wänden, selbst den König glaubte man im Schlosse zu Potsdam schon gefährdet, obschon er es immer noch mit den Franzosen hielt, bis plötzlich sich die Nachricht in Berlin verbreitete, der König habe Potsdam

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[0060] gewesen, und auch wir hatten von Kindheit an gelernt, sie heilig zu halten. Jetzt, wo der erste Hoffnungsstrahl zur Befreiung Preußens aufging, war unsere ganze Seele darauf gerichtet, und selbst Caroline, die sonst allein unter uns diesen Empfindungen fremd geblieben, glaubte jetzt Deutschland zu lieben, weil sie den Franzosen haßte, der ihr seine Treue gebrochen hatte. Wo man sich auch befand, im eigenen Hause, in der Gesellschaft oder am öffentlichen Orte, überall war man von Franzosen umgeben, überall sah man sich genöthigt, sein Inneres zu verbergen; aber überall suchten die Blicke nach Trost, überall trat man zusammen, um aus dem Munde Gleichgesinnter Nachrichten aus Königsberg, aus dem Hauptquartier York's, aus den aufgestandenen Provinzen zu erhalten. Wer dorthin gesendet wurde, den pries man glücklich, daß er die Erhebung mit eigenen Augen sehen sollte, wer von dort kam, wurde wie der Träger göttlicher Offenbarung begrüßt. Aber je größer die Theilnahme für die deutsche Sache wurde, je unverkennbarer die allgemeine Begeisterung für dieselbe sich kund gab, um so ängstlicher und drückender wurden wir vom Mißtrauen der Franzosen überwacht. Niemand war sicher in seinen vier Wänden, selbst den König glaubte man im Schlosse zu Potsdam schon gefährdet, obschon er es immer noch mit den Franzosen hielt, bis plötzlich sich die Nachricht in Berlin verbreitete, der König habe Potsdam

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/60>, abgerufen am 24.11.2024.