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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und ganz mittellos wird auch sie nicht sein, wenn uns nicht besondere Unglücksfälle treffen. Sorgen Sie nicht um uns -- aber kehren Sie uns wieder. -- Diese Zwischenrede störte Schlichting. Er besiegte aber die Verwirrung, die sie in ihm erregte, und mit einem Entschlusse, der ihn, wie meine Mutter mir später erzählte, sichtlich Ueberwindung kostete, fragte er plötzlich: Glauben Sie, daß Julie sich mit mir trauen lassen würde?

Schlichting! rief meine Mutter, auf das Aeußerste betroffen, wie kommen Sie auf diesen Einfall? Ich weiß es selber kaum, entgegnete er. Als das liebe Kind sich vorhin mit solcher Hingebung und Freude an mich wendete, schoß mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf, wie ich Julien mit schneller Entscheidung eine Stellung in der Gesellschaft, Unabhängigkeit an Ihrer Seite und ein wohlbegründetes Vermögen geben könnte, wenn ich sie mir antrauen ließe. -- Er brach ab, und die Mutter schwieg. Die Vorstellung, mich verheirathet zu sehen, die nur eben eingesegnet, die immer noch wie ein halbes Kind behandelt worden war, und vollends mich an Onkel, an den einst von ihr Geliebten verheirathet zu denken, war ihr so befremdlich, daß sie sich erst in dieselbe hineinfinden mußte, um sie zu verstehen.

Julie ist fast noch ein Kind! sagte sie endlich in halbem Selbstgespräch. Ja, sprach der Onkel, und ich bin ihr gegenüber mit meinen fünfzig Jahren fast ein

und ganz mittellos wird auch sie nicht sein, wenn uns nicht besondere Unglücksfälle treffen. Sorgen Sie nicht um uns — aber kehren Sie uns wieder. — Diese Zwischenrede störte Schlichting. Er besiegte aber die Verwirrung, die sie in ihm erregte, und mit einem Entschlusse, der ihn, wie meine Mutter mir später erzählte, sichtlich Ueberwindung kostete, fragte er plötzlich: Glauben Sie, daß Julie sich mit mir trauen lassen würde?

Schlichting! rief meine Mutter, auf das Aeußerste betroffen, wie kommen Sie auf diesen Einfall? Ich weiß es selber kaum, entgegnete er. Als das liebe Kind sich vorhin mit solcher Hingebung und Freude an mich wendete, schoß mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf, wie ich Julien mit schneller Entscheidung eine Stellung in der Gesellschaft, Unabhängigkeit an Ihrer Seite und ein wohlbegründetes Vermögen geben könnte, wenn ich sie mir antrauen ließe. — Er brach ab, und die Mutter schwieg. Die Vorstellung, mich verheirathet zu sehen, die nur eben eingesegnet, die immer noch wie ein halbes Kind behandelt worden war, und vollends mich an Onkel, an den einst von ihr Geliebten verheirathet zu denken, war ihr so befremdlich, daß sie sich erst in dieselbe hineinfinden mußte, um sie zu verstehen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/65>, abgerufen am 24.11.2024.