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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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durch die Thüre gefallen und hatte die Blumen purpurn erglänzen lassen, als --

Was geschah nur damals? und wann war es? fragte ich mich immer und immer wieder, nahm immer und immer wieder eine der Hortensien in die Hand, als müsse sich daran das Weitere anreihen, wie man nicht müde wird, die Verse eines Gedichtes zu wiederholen, dessen Fortsetzung man vergessen hat. Aber ich stand und stand, bis ich förmlich mir selbst mit meinen Gedanken entrückt war und träumend hinausschaute auf den grünen Rasen, der sich hinter dem Hause ausbreitete.

Störe ich Sie? fragte plötzlich eine Stimme neben mir. Ich fuhr empor, es war Klemenz, aber ich konnte ihn nicht sehen, denn ich war geblendet von dem langen starren Schauen in das Licht, goldene Kreise und Funken schwammen vor meinen Augen, daß mir eigentlich war, als träume ich noch immer, als sei auch die Stimme, welche ich vernommen, nur ein Erzeugniß meiner Phantasie. Der Kopf schwindelte mir, ich mußte mich an den Blumenbehälter stützen.

Ich fürchte, ich störe Sie, gnädige Frau, wiederholte Klemenz, und er mochte wohl betroffen sein durch den Zustand von Verwirrung, in dem ich mich befand. Doch ich raffte mich zusammen. Nein, ich erwartete Sie, gab ich ihm zur Antwort. Er sah mich erstaunt an. Sie erwarteten mich? fragte er.

Ja, ja, fragen Sie mich nichts, ich wußte, ich fühlte es, daß Sie kommen würden, kommen müßten!

durch die Thüre gefallen und hatte die Blumen purpurn erglänzen lassen, als —

Was geschah nur damals? und wann war es? fragte ich mich immer und immer wieder, nahm immer und immer wieder eine der Hortensien in die Hand, als müsse sich daran das Weitere anreihen, wie man nicht müde wird, die Verse eines Gedichtes zu wiederholen, dessen Fortsetzung man vergessen hat. Aber ich stand und stand, bis ich förmlich mir selbst mit meinen Gedanken entrückt war und träumend hinausschaute auf den grünen Rasen, der sich hinter dem Hause ausbreitete.

Störe ich Sie? fragte plötzlich eine Stimme neben mir. Ich fuhr empor, es war Klemenz, aber ich konnte ihn nicht sehen, denn ich war geblendet von dem langen starren Schauen in das Licht, goldene Kreise und Funken schwammen vor meinen Augen, daß mir eigentlich war, als träume ich noch immer, als sei auch die Stimme, welche ich vernommen, nur ein Erzeugniß meiner Phantasie. Der Kopf schwindelte mir, ich mußte mich an den Blumenbehälter stützen.

Ich fürchte, ich störe Sie, gnädige Frau, wiederholte Klemenz, und er mochte wohl betroffen sein durch den Zustand von Verwirrung, in dem ich mich befand. Doch ich raffte mich zusammen. Nein, ich erwartete Sie, gab ich ihm zur Antwort. Er sah mich erstaunt an. Sie erwarteten mich? fragte er.

Ja, ja, fragen Sie mich nichts, ich wußte, ich fühlte es, daß Sie kommen würden, kommen müßten!

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[0096] durch die Thüre gefallen und hatte die Blumen purpurn erglänzen lassen, als — Was geschah nur damals? und wann war es? fragte ich mich immer und immer wieder, nahm immer und immer wieder eine der Hortensien in die Hand, als müsse sich daran das Weitere anreihen, wie man nicht müde wird, die Verse eines Gedichtes zu wiederholen, dessen Fortsetzung man vergessen hat. Aber ich stand und stand, bis ich förmlich mir selbst mit meinen Gedanken entrückt war und träumend hinausschaute auf den grünen Rasen, der sich hinter dem Hause ausbreitete. Störe ich Sie? fragte plötzlich eine Stimme neben mir. Ich fuhr empor, es war Klemenz, aber ich konnte ihn nicht sehen, denn ich war geblendet von dem langen starren Schauen in das Licht, goldene Kreise und Funken schwammen vor meinen Augen, daß mir eigentlich war, als träume ich noch immer, als sei auch die Stimme, welche ich vernommen, nur ein Erzeugniß meiner Phantasie. Der Kopf schwindelte mir, ich mußte mich an den Blumenbehälter stützen. Ich fürchte, ich störe Sie, gnädige Frau, wiederholte Klemenz, und er mochte wohl betroffen sein durch den Zustand von Verwirrung, in dem ich mich befand. Doch ich raffte mich zusammen. Nein, ich erwartete Sie, gab ich ihm zur Antwort. Er sah mich erstaunt an. Sie erwarteten mich? fragte er. Ja, ja, fragen Sie mich nichts, ich wußte, ich fühlte es, daß Sie kommen würden, kommen müßten!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/96>, abgerufen am 11.05.2024.