Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

fühlte ich meine Kniee von seinen Armen umschlungen, er lag zu meinen Füßen und bedeckte mein Gewand mit seinen Küssen. Lassen Sie mich! rief ich und versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich nur um so fester.

Nein, nein ! sagte er, ich will ihn festhalten diesen Augenblick, der mir nicht wiederkehren kann. Sie müssen mich hören, einmal, ein einziges Mal muß ich es dir sagen, wie ich dich geliebt, von der Stunde an, da ich dich zuerst gesehen, wie alle meine Gedanken nur auf dich gerichtet sind, wie ich nicht von dir lassen kann, so lange ich lebe, und wie ich es als einziges und letztes Glück erflehe, zu sterben, bald zu sterben mit deinem Namen auf den Lippen.

Gott, Gott! flehte ich in meiner Herzensangst, was soll ich thun? Stehen Sie auf, Klemenz, ich beschwöre Sie, stehen Sie auf! Ich neigte mich, ihn emporzurichten , da sprang er auf, zog mich an seine Brust, und hingerissen von dem eigenen Herzen hing ich an seinem Halse, fühlte ich seine heißen Küsse auf meinen Lippen.

Aber der Taumel der Leidenschaft währte nur einen kurzen Augenblick; seine Arme ließen mich los, ich empfand die brennende Reue, welche er fühlte, ich trug die Schuld von Allem, denn meine Unbesonnenheit hatte ihm das Geständniß entlockt, den ganzen Vorgang herbeigeführt. Wie gelähmt standen wir einander gegenüber. Ich befand mich wieder vor dem Blumenkorbe, noch schien die Sonne so purpurn auf

fühlte ich meine Kniee von seinen Armen umschlungen, er lag zu meinen Füßen und bedeckte mein Gewand mit seinen Küssen. Lassen Sie mich! rief ich und versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich nur um so fester.

Nein, nein ! sagte er, ich will ihn festhalten diesen Augenblick, der mir nicht wiederkehren kann. Sie müssen mich hören, einmal, ein einziges Mal muß ich es dir sagen, wie ich dich geliebt, von der Stunde an, da ich dich zuerst gesehen, wie alle meine Gedanken nur auf dich gerichtet sind, wie ich nicht von dir lassen kann, so lange ich lebe, und wie ich es als einziges und letztes Glück erflehe, zu sterben, bald zu sterben mit deinem Namen auf den Lippen.

Gott, Gott! flehte ich in meiner Herzensangst, was soll ich thun? Stehen Sie auf, Klemenz, ich beschwöre Sie, stehen Sie auf! Ich neigte mich, ihn emporzurichten , da sprang er auf, zog mich an seine Brust, und hingerissen von dem eigenen Herzen hing ich an seinem Halse, fühlte ich seine heißen Küsse auf meinen Lippen.

Aber der Taumel der Leidenschaft währte nur einen kurzen Augenblick; seine Arme ließen mich los, ich empfand die brennende Reue, welche er fühlte, ich trug die Schuld von Allem, denn meine Unbesonnenheit hatte ihm das Geständniß entlockt, den ganzen Vorgang herbeigeführt. Wie gelähmt standen wir einander gegenüber. Ich befand mich wieder vor dem Blumenkorbe, noch schien die Sonne so purpurn auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0098"/>
fühlte ich      meine Kniee von seinen Armen umschlungen, er lag zu meinen Füßen und bedeckte mein Gewand mit      seinen Küssen. Lassen Sie mich! rief ich und versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich nur      um so fester.</p><lb/>
          <p>Nein, nein ! sagte er, ich will ihn festhalten diesen Augenblick, der mir nicht wiederkehren      kann. Sie müssen mich hören, einmal, ein einziges Mal muß ich es dir sagen, wie ich dich      geliebt, von der Stunde an, da ich dich zuerst gesehen, wie alle meine Gedanken nur auf dich      gerichtet sind, wie ich nicht von dir lassen kann, so lange ich lebe, und wie ich es als      einziges und letztes Glück erflehe, zu sterben, bald zu sterben mit deinem Namen auf den      Lippen.</p><lb/>
          <p>Gott, Gott! flehte ich in meiner Herzensangst, was soll ich thun? Stehen Sie auf, Klemenz,      ich beschwöre Sie, stehen Sie auf! Ich neigte mich, ihn emporzurichten , da sprang er auf, zog      mich an seine Brust, und hingerissen von dem eigenen Herzen hing ich an seinem Halse, fühlte      ich seine heißen Küsse auf meinen Lippen.</p><lb/>
          <p>Aber der Taumel der Leidenschaft währte nur einen kurzen Augenblick; seine Arme ließen mich      los, ich empfand die brennende Reue, welche er fühlte, ich trug die Schuld von Allem, denn      meine Unbesonnenheit hatte ihm das Geständniß entlockt, den ganzen Vorgang herbeigeführt. Wie      gelähmt standen wir einander gegenüber. Ich befand mich wieder vor dem Blumenkorbe, noch schien      die Sonne so purpurn auf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0098] fühlte ich meine Kniee von seinen Armen umschlungen, er lag zu meinen Füßen und bedeckte mein Gewand mit seinen Küssen. Lassen Sie mich! rief ich und versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich nur um so fester. Nein, nein ! sagte er, ich will ihn festhalten diesen Augenblick, der mir nicht wiederkehren kann. Sie müssen mich hören, einmal, ein einziges Mal muß ich es dir sagen, wie ich dich geliebt, von der Stunde an, da ich dich zuerst gesehen, wie alle meine Gedanken nur auf dich gerichtet sind, wie ich nicht von dir lassen kann, so lange ich lebe, und wie ich es als einziges und letztes Glück erflehe, zu sterben, bald zu sterben mit deinem Namen auf den Lippen. Gott, Gott! flehte ich in meiner Herzensangst, was soll ich thun? Stehen Sie auf, Klemenz, ich beschwöre Sie, stehen Sie auf! Ich neigte mich, ihn emporzurichten , da sprang er auf, zog mich an seine Brust, und hingerissen von dem eigenen Herzen hing ich an seinem Halse, fühlte ich seine heißen Küsse auf meinen Lippen. Aber der Taumel der Leidenschaft währte nur einen kurzen Augenblick; seine Arme ließen mich los, ich empfand die brennende Reue, welche er fühlte, ich trug die Schuld von Allem, denn meine Unbesonnenheit hatte ihm das Geständniß entlockt, den ganzen Vorgang herbeigeführt. Wie gelähmt standen wir einander gegenüber. Ich befand mich wieder vor dem Blumenkorbe, noch schien die Sonne so purpurn auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/98
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/98>, abgerufen am 11.05.2024.