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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
es ist evident, das Amylon ist zur Ausbildung der Wurzeln
und Blätter verzehrt worden. In diesen Versuchen hat Herr
Forstmeister Heyer die interessante Beobachtung gemacht, daß
diese Zweige in (ammoniakhaltigem) Schneewasser vegetirend,
drei- bis viermal längere Wurzeln treiben als in reinem de-
stillirten Wasser, das Regenwasser wird nach und nach trübe
und nimmt eine gelbbräunliche Farbe an, das destillirte Was-
ser bleibt klar.

Bei dem Blühen des Zuckerrohrs verschwindet ebenfalls
ein Theil des gebildeten Zuckers; und bei den Runkelrüben hat
man die bestimmte Erfahrung gemacht, daß er sich in
der Wurzel erst mit Vollendung der Blattbildung anhäuft.

Diese so wohlbegründeten Beobachtungen entfernen jeden
Zweifel über den Antheil, den Zucker, Stärke und Gummi an
dem Entwickelungsprocesse der Pflanzen nehmen; es hört auf
räthselhaft zu sein, woher es kommt, daß diese drei Materien
der entwickelten Pflanze zugeführt, keinen Antheil an ihrem
Wachsthum, an ihrem Ernährungsprocesse nehmen.

Man hat -- aber gewiß mit Unrecht -- die gegen den
Herbst hin, sich in den Pflanzen anhäufenden Vorräthe von
Stärke, mit dem Fett der dem Winterschlaf unterworfenen Thiere
verglichen; allein bei diesen sind alle Lebensfunctionen bis auf
den Respirationsproceß in einem Zustande der Ruhe; sie bedür-
fen, wie eine sehr langsam brennende Oellampe, nur eine an
kohlen- und wasserstoffreiche Materie, um den Verbrennungs-
proceß in der Lunge zu unterhalten. Mit dem Erwachen aus
dem Winterschlaf ist alles Fett verschwunden, es hat nicht zur
Ernährung gedient, kein Theil ihres Körpers hat durch das
Fett an Masse zugenommen, die Qualität von keinem davon
hat eine bemerkbare Veränderung erlitten. Das Fett hatte mit
der eigentlichen Ernährung nicht das Geringste zu thun.

Die Cultur.
es iſt evident, das Amylon iſt zur Ausbildung der Wurzeln
und Blätter verzehrt worden. In dieſen Verſuchen hat Herr
Forſtmeiſter Heyer die intereſſante Beobachtung gemacht, daß
dieſe Zweige in (ammoniakhaltigem) Schneewaſſer vegetirend,
drei- bis viermal längere Wurzeln treiben als in reinem de-
ſtillirten Waſſer, das Regenwaſſer wird nach und nach trübe
und nimmt eine gelbbräunliche Farbe an, das deſtillirte Waſ-
ſer bleibt klar.

Bei dem Blühen des Zuckerrohrs verſchwindet ebenfalls
ein Theil des gebildeten Zuckers; und bei den Runkelrüben hat
man die beſtimmte Erfahrung gemacht, daß er ſich in
der Wurzel erſt mit Vollendung der Blattbildung anhäuft.

Dieſe ſo wohlbegründeten Beobachtungen entfernen jeden
Zweifel über den Antheil, den Zucker, Stärke und Gummi an
dem Entwickelungsproceſſe der Pflanzen nehmen; es hört auf
räthſelhaft zu ſein, woher es kommt, daß dieſe drei Materien
der entwickelten Pflanze zugeführt, keinen Antheil an ihrem
Wachsthum, an ihrem Ernährungsproceſſe nehmen.

Man hat — aber gewiß mit Unrecht — die gegen den
Herbſt hin, ſich in den Pflanzen anhäufenden Vorräthe von
Stärke, mit dem Fett der dem Winterſchlaf unterworfenen Thiere
verglichen; allein bei dieſen ſind alle Lebensfunctionen bis auf
den Reſpirationsproceß in einem Zuſtande der Ruhe; ſie bedür-
fen, wie eine ſehr langſam brennende Oellampe, nur eine an
kohlen- und waſſerſtoffreiche Materie, um den Verbrennungs-
proceß in der Lunge zu unterhalten. Mit dem Erwachen aus
dem Winterſchlaf iſt alles Fett verſchwunden, es hat nicht zur
Ernährung gedient, kein Theil ihres Körpers hat durch das
Fett an Maſſe zugenommen, die Qualität von keinem davon
hat eine bemerkbare Veränderung erlitten. Das Fett hatte mit
der eigentlichen Ernährung nicht das Geringſte zu thun.

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[114/0132] Die Cultur. es iſt evident, das Amylon iſt zur Ausbildung der Wurzeln und Blätter verzehrt worden. In dieſen Verſuchen hat Herr Forſtmeiſter Heyer die intereſſante Beobachtung gemacht, daß dieſe Zweige in (ammoniakhaltigem) Schneewaſſer vegetirend, drei- bis viermal längere Wurzeln treiben als in reinem de- ſtillirten Waſſer, das Regenwaſſer wird nach und nach trübe und nimmt eine gelbbräunliche Farbe an, das deſtillirte Waſ- ſer bleibt klar. Bei dem Blühen des Zuckerrohrs verſchwindet ebenfalls ein Theil des gebildeten Zuckers; und bei den Runkelrüben hat man die beſtimmte Erfahrung gemacht, daß er ſich in der Wurzel erſt mit Vollendung der Blattbildung anhäuft. Dieſe ſo wohlbegründeten Beobachtungen entfernen jeden Zweifel über den Antheil, den Zucker, Stärke und Gummi an dem Entwickelungsproceſſe der Pflanzen nehmen; es hört auf räthſelhaft zu ſein, woher es kommt, daß dieſe drei Materien der entwickelten Pflanze zugeführt, keinen Antheil an ihrem Wachsthum, an ihrem Ernährungsproceſſe nehmen. Man hat — aber gewiß mit Unrecht — die gegen den Herbſt hin, ſich in den Pflanzen anhäufenden Vorräthe von Stärke, mit dem Fett der dem Winterſchlaf unterworfenen Thiere verglichen; allein bei dieſen ſind alle Lebensfunctionen bis auf den Reſpirationsproceß in einem Zuſtande der Ruhe; ſie bedür- fen, wie eine ſehr langſam brennende Oellampe, nur eine an kohlen- und waſſerſtoffreiche Materie, um den Verbrennungs- proceß in der Lunge zu unterhalten. Mit dem Erwachen aus dem Winterſchlaf iſt alles Fett verſchwunden, es hat nicht zur Ernährung gedient, kein Theil ihres Körpers hat durch das Fett an Maſſe zugenommen, die Qualität von keinem davon hat eine bemerkbare Veränderung erlitten. Das Fett hatte mit der eigentlichen Ernährung nicht das Geringſte zu thun.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/132>, abgerufen am 24.11.2024.