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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.

Was enthält aber der Boden, was enthalten die Stoffe,
die man Dünger nennt? Vor der Ausmittelung dieser Fra-
gen kann an eine rationelle Land- und Feldwirthschaft nicht
gedacht werden.

Zur vollständigen Lösung dieser Fragen werden die Kräfte
und Kenntnisse des Pflanzenphysiologen, des Agronomen und
Chemikers in Anspruch genommen, es muß dazu ein Anfang
gemacht werden.

Die Aufgabe der Cultur ist im Allgemeinen die vortheil-
hafteste Hervorbringung gewisser Quantitäten, oder eines Ma-
ximums an Masse von gewissen Theilen, oder Organen verschie-
denartiger Pflanzen, sie wird gelös't durch die Anwendung der
Kenntniß derjenigen Stoffe, die zur Ausbildung dieser Theile
oder Organe unentbehrlich sind, oder der zur Hervorbringung
dieser Qualitäten erforderlichen Bedingungen.

Die Gesetze einer rationellen Cultur müssen uns in den
Stand setzen, einer jeden Pflanze dasjenige zu geben, was sie
zur Erreichung ihrer Zwecke vorzugsweise bedarf.

Die Cultur beasichtigt im Besonderen eine abnorme Ent-
wickelung und Erzeugung von gewissen Pflanzentheilen oder
Pflanzenstoffen, die zur Ernährung der Thiere und Menschen,
oder für die Zwecke der Industrie verwendet werden.

Je nach diesen Zwecken ändern sich die Mittel, welche zu
ihrer Ernährung dienen.

Die Mittel, welche die Cultur anwendet, um feines weiches
biegsames Stroh für Florentiner Hüte zu erzeugen, sind denen
völlig entgegengesetzt, die man wählen muß, um ein Maximum
von Saamen durch die nemliche Pflanze hervorzubringen. Ein
Maximum von Stickstoff in diesen Saamen bedarf wieder der
Erfüllung anderer Bedingungen, man hat wieder andere zu
berücksichtigen, wenn man dem Halme die Stärke und Festig-

Die Cultur.

Was enthält aber der Boden, was enthalten die Stoffe,
die man Dünger nennt? Vor der Ausmittelung dieſer Fra-
gen kann an eine rationelle Land- und Feldwirthſchaft nicht
gedacht werden.

Zur vollſtändigen Löſung dieſer Fragen werden die Kräfte
und Kenntniſſe des Pflanzenphyſiologen, des Agronomen und
Chemikers in Anſpruch genommen, es muß dazu ein Anfang
gemacht werden.

Die Aufgabe der Cultur iſt im Allgemeinen die vortheil-
hafteſte Hervorbringung gewiſſer Quantitäten, oder eines Ma-
ximums an Maſſe von gewiſſen Theilen, oder Organen verſchie-
denartiger Pflanzen, ſie wird gelöſ’t durch die Anwendung der
Kenntniß derjenigen Stoffe, die zur Ausbildung dieſer Theile
oder Organe unentbehrlich ſind, oder der zur Hervorbringung
dieſer Qualitäten erforderlichen Bedingungen.

Die Geſetze einer rationellen Cultur müſſen uns in den
Stand ſetzen, einer jeden Pflanze dasjenige zu geben, was ſie
zur Erreichung ihrer Zwecke vorzugsweiſe bedarf.

Die Cultur beaſichtigt im Beſonderen eine abnorme Ent-
wickelung und Erzeugung von gewiſſen Pflanzentheilen oder
Pflanzenſtoffen, die zur Ernährung der Thiere und Menſchen,
oder für die Zwecke der Induſtrie verwendet werden.

Je nach dieſen Zwecken ändern ſich die Mittel, welche zu
ihrer Ernährung dienen.

Die Mittel, welche die Cultur anwendet, um feines weiches
biegſames Stroh für Florentiner Hüte zu erzeugen, ſind denen
völlig entgegengeſetzt, die man wählen muß, um ein Maximum
von Saamen durch die nemliche Pflanze hervorzubringen. Ein
Maximum von Stickſtoff in dieſen Saamen bedarf wieder der
Erfüllung anderer Bedingungen, man hat wieder andere zu
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[126/0144] Die Cultur. Was enthält aber der Boden, was enthalten die Stoffe, die man Dünger nennt? Vor der Ausmittelung dieſer Fra- gen kann an eine rationelle Land- und Feldwirthſchaft nicht gedacht werden. Zur vollſtändigen Löſung dieſer Fragen werden die Kräfte und Kenntniſſe des Pflanzenphyſiologen, des Agronomen und Chemikers in Anſpruch genommen, es muß dazu ein Anfang gemacht werden. Die Aufgabe der Cultur iſt im Allgemeinen die vortheil- hafteſte Hervorbringung gewiſſer Quantitäten, oder eines Ma- ximums an Maſſe von gewiſſen Theilen, oder Organen verſchie- denartiger Pflanzen, ſie wird gelöſ’t durch die Anwendung der Kenntniß derjenigen Stoffe, die zur Ausbildung dieſer Theile oder Organe unentbehrlich ſind, oder der zur Hervorbringung dieſer Qualitäten erforderlichen Bedingungen. Die Geſetze einer rationellen Cultur müſſen uns in den Stand ſetzen, einer jeden Pflanze dasjenige zu geben, was ſie zur Erreichung ihrer Zwecke vorzugsweiſe bedarf. Die Cultur beaſichtigt im Beſonderen eine abnorme Ent- wickelung und Erzeugung von gewiſſen Pflanzentheilen oder Pflanzenſtoffen, die zur Ernährung der Thiere und Menſchen, oder für die Zwecke der Induſtrie verwendet werden. Je nach dieſen Zwecken ändern ſich die Mittel, welche zu ihrer Ernährung dienen. Die Mittel, welche die Cultur anwendet, um feines weiches biegſames Stroh für Florentiner Hüte zu erzeugen, ſind denen völlig entgegengeſetzt, die man wählen muß, um ein Maximum von Saamen durch die nemliche Pflanze hervorzubringen. Ein Maximum von Stickſtoff in dieſen Saamen bedarf wieder der Erfüllung anderer Bedingungen, man hat wieder andere zu berückſichtigen, wenn man dem Halme die Stärke und Feſtig-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/144>, abgerufen am 21.11.2024.