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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Treibhause gedeihen sie wirklich, obgleich sie im Allgemeinen
empfindlicher gegen die Wirkungen der Kälte, als andere Pflan-
zen der nämlichen Gegend sind.

Bei meiner Ernennung zum Director des Gartens von
Edinburg im Jahre 1810 fand ich diese Pflanze ein wenig
kränkelnd im Greene-House; nachdem ich sie aber 1811 in
das heiße Treibhaus verpflanzt hatte, fing sie sogleich mit
großer Ueppigkeit zu gedeihen an.

Der Stengel der Pflanze, von dem Boden angerechnet bis
an den Anfang der Zweige, hatte ungefähr 1 Fuß Höhe.
Auf einem der Zweige sah ich eine Wurzel hervorkommen,
2 Fuß entfernt von seiner Vereinigung mit dem Stiele. Als
sie einen Fuß Länge erreicht hatte, stellte ich einen irdnen Topf
mit Untersatz darunter; sobald dieser Topf mit Wurzelfasern
angefüllt war, beschloß ich zu untersuchen, ob er bei häufigem
Begießen zur Ernährung der ganzen Pflanze hinreichen würde,

Im August 1816 hörte ich deshalb auf das erste Gefäß
zu begießen, während die Erde des zweiten im Gegentheil oft
befeuchtet wurde; das Ganze blieb so acht Monate lang. Nun
gab augenscheinlich die völlig ausgetrocknete Erde des ersten
Topfes der Pflanze keine Nahrung mehr; demungeachtet aber
war sie so üppig, als werde ihr noch von den ursprünglichen
Wurzeln Leben zugeführt. Um alle Zweifel zu heben, wurde
das Gefäß, worin sich diese ersten Wurzeln befanden, im Früh-
ling 1817 weggethan; die sie umgebende, von der Sonne
ausgetrocknete Erde fiel durch ein leichtes Rütteln ab; die
Pflanze aber schien nicht im Geringsten darunter zu leiden;
nur die Wurzeln zeigten sich an ihren verschiedenen Theilen in
größerer Anzahl, als es bisher der Fall war.

Eine dieser neuen Wurzeln -- von einem Zweige, 3 Fuß
von dem Stiele aus in der entgegengesetzten Richtung von der-

Anhang.
Treibhauſe gedeihen ſie wirklich, obgleich ſie im Allgemeinen
empfindlicher gegen die Wirkungen der Kälte, als andere Pflan-
zen der nämlichen Gegend ſind.

Bei meiner Ernennung zum Director des Gartens von
Edinburg im Jahre 1810 fand ich dieſe Pflanze ein wenig
kränkelnd im Greene-Houſe; nachdem ich ſie aber 1811 in
das heiße Treibhaus verpflanzt hatte, fing ſie ſogleich mit
großer Ueppigkeit zu gedeihen an.

Der Stengel der Pflanze, von dem Boden angerechnet bis
an den Anfang der Zweige, hatte ungefähr 1 Fuß Höhe.
Auf einem der Zweige ſah ich eine Wurzel hervorkommen,
2 Fuß entfernt von ſeiner Vereinigung mit dem Stiele. Als
ſie einen Fuß Länge erreicht hatte, ſtellte ich einen irdnen Topf
mit Unterſatz darunter; ſobald dieſer Topf mit Wurzelfaſern
angefüllt war, beſchloß ich zu unterſuchen, ob er bei häufigem
Begießen zur Ernährung der ganzen Pflanze hinreichen würde,

Im Auguſt 1816 hörte ich deshalb auf das erſte Gefäß
zu begießen, während die Erde des zweiten im Gegentheil oft
befeuchtet wurde; das Ganze blieb ſo acht Monate lang. Nun
gab augenſcheinlich die völlig ausgetrocknete Erde des erſten
Topfes der Pflanze keine Nahrung mehr; demungeachtet aber
war ſie ſo üppig, als werde ihr noch von den urſprünglichen
Wurzeln Leben zugeführt. Um alle Zweifel zu heben, wurde
das Gefäß, worin ſich dieſe erſten Wurzeln befanden, im Früh-
ling 1817 weggethan; die ſie umgebende, von der Sonne
ausgetrocknete Erde fiel durch ein leichtes Rütteln ab; die
Pflanze aber ſchien nicht im Geringſten darunter zu leiden;
nur die Wurzeln zeigten ſich an ihren verſchiedenen Theilen in
größerer Anzahl, als es bisher der Fall war.

Eine dieſer neuen Wurzeln — von einem Zweige, 3 Fuß
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[182/0200] Anhang. Treibhauſe gedeihen ſie wirklich, obgleich ſie im Allgemeinen empfindlicher gegen die Wirkungen der Kälte, als andere Pflan- zen der nämlichen Gegend ſind. Bei meiner Ernennung zum Director des Gartens von Edinburg im Jahre 1810 fand ich dieſe Pflanze ein wenig kränkelnd im Greene-Houſe; nachdem ich ſie aber 1811 in das heiße Treibhaus verpflanzt hatte, fing ſie ſogleich mit großer Ueppigkeit zu gedeihen an. Der Stengel der Pflanze, von dem Boden angerechnet bis an den Anfang der Zweige, hatte ungefähr 1 Fuß Höhe. Auf einem der Zweige ſah ich eine Wurzel hervorkommen, 2 Fuß entfernt von ſeiner Vereinigung mit dem Stiele. Als ſie einen Fuß Länge erreicht hatte, ſtellte ich einen irdnen Topf mit Unterſatz darunter; ſobald dieſer Topf mit Wurzelfaſern angefüllt war, beſchloß ich zu unterſuchen, ob er bei häufigem Begießen zur Ernährung der ganzen Pflanze hinreichen würde, Im Auguſt 1816 hörte ich deshalb auf das erſte Gefäß zu begießen, während die Erde des zweiten im Gegentheil oft befeuchtet wurde; das Ganze blieb ſo acht Monate lang. Nun gab augenſcheinlich die völlig ausgetrocknete Erde des erſten Topfes der Pflanze keine Nahrung mehr; demungeachtet aber war ſie ſo üppig, als werde ihr noch von den urſprünglichen Wurzeln Leben zugeführt. Um alle Zweifel zu heben, wurde das Gefäß, worin ſich dieſe erſten Wurzeln befanden, im Früh- ling 1817 weggethan; die ſie umgebende, von der Sonne ausgetrocknete Erde fiel durch ein leichtes Rütteln ab; die Pflanze aber ſchien nicht im Geringſten darunter zu leiden; nur die Wurzeln zeigten ſich an ihren verſchiedenen Theilen in größerer Anzahl, als es bisher der Fall war. Eine dieſer neuen Wurzeln — von einem Zweige, 3 Fuß von dem Stiele aus in der entgegengeſetzten Richtung von der-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/200>, abgerufen am 24.11.2024.