Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Hefe, Ferment.
wässrige Aufguß an der Luft erkaltet und eine Zeitlang mit
der Luft in Berührung gelassen war; in diesem Zustande mit
Zuckerwasser zusammen gebracht, bringt er eine lebhafte Gäh-
rung hervor; ohne zuvor der Luft ausgesetzt gewesen zu sein,
tritt keine Gährung ein.

Bei dem Contact mit der Luft erfolgt aber eine Absorbtion
des Sauerstoffs und man findet in dem Aufguß nach einiger
Zeit freie Kohlensäure.

Die Hefe bringt mithin Gährung hervor in Folge einer
fortschreitenden Zersetzung, die sie bei Gegenwart von Luft in
Berührung mit Wasser erleidet.

Untersuchen wir ferner, ob und welche Veränderung mit
der Hefe vor sich geht, wenn sie in Berührung war mit Zucker-
wasser, in welchem die Metamorphose des Zuckers vollendet
ist, so zeigt sich, daß mit der Verwandlung des Zuckers in
Kohlensäure und Alkohol ein Verschwinden des Ferments ver-
knüpft ist.

Von 20 Th. frischer Bierhefe und 100 Th. Zucker erhielt
Thenard nach vollendeter Gährung 13,7 unlöslichen Rück-
stand, der sich mit neuem Zuckerwasser, auf dieselbe Weise an-
gewendet, auf 10 Theile verminderte; diese 10 Theile waren
weiß, besaßen die Eigenschaften der Holzfaser und verhielten
sich völlig wirkungslos gegen frisches Zuckerwasser.

Es ergiebt sich hieraus auf eine unzweifelhafte Weise, daß
bei der Gährung des reinen Zuckers mit Ferment beide neben-
einander eine Zersetzung erleiden, in deren Folge sie beide ver-
schwinden. Wenn das Ferment nun ein Körper ist, der sich
im Zustande der Fäulniß befindet, und Gährung in Folge sei-
ner eigenen Zersetzung erregt, so müssen alle Materien, die sich
in dem nämlichen Zustande befinden, auf den Zucker eine gleiche
Wirkung haben.

Hefe, Ferment.
wäſſrige Aufguß an der Luft erkaltet und eine Zeitlang mit
der Luft in Berührung gelaſſen war; in dieſem Zuſtande mit
Zuckerwaſſer zuſammen gebracht, bringt er eine lebhafte Gäh-
rung hervor; ohne zuvor der Luft ausgeſetzt geweſen zu ſein,
tritt keine Gährung ein.

Bei dem Contact mit der Luft erfolgt aber eine Abſorbtion
des Sauerſtoffs und man findet in dem Aufguß nach einiger
Zeit freie Kohlenſäure.

Die Hefe bringt mithin Gährung hervor in Folge einer
fortſchreitenden Zerſetzung, die ſie bei Gegenwart von Luft in
Berührung mit Waſſer erleidet.

Unterſuchen wir ferner, ob und welche Veränderung mit
der Hefe vor ſich geht, wenn ſie in Berührung war mit Zucker-
waſſer, in welchem die Metamorphoſe des Zuckers vollendet
iſt, ſo zeigt ſich, daß mit der Verwandlung des Zuckers in
Kohlenſäure und Alkohol ein Verſchwinden des Ferments ver-
knüpft iſt.

Von 20 Th. friſcher Bierhefe und 100 Th. Zucker erhielt
Thénard nach vollendeter Gährung 13,7 unlöslichen Rück-
ſtand, der ſich mit neuem Zuckerwaſſer, auf dieſelbe Weiſe an-
gewendet, auf 10 Theile verminderte; dieſe 10 Theile waren
weiß, beſaßen die Eigenſchaften der Holzfaſer und verhielten
ſich völlig wirkungslos gegen friſches Zuckerwaſſer.

Es ergiebt ſich hieraus auf eine unzweifelhafte Weiſe, daß
bei der Gährung des reinen Zuckers mit Ferment beide neben-
einander eine Zerſetzung erleiden, in deren Folge ſie beide ver-
ſchwinden. Wenn das Ferment nun ein Körper iſt, der ſich
im Zuſtande der Fäulniß befindet, und Gährung in Folge ſei-
ner eigenen Zerſetzung erregt, ſo müſſen alle Materien, die ſich
in dem nämlichen Zuſtande befinden, auf den Zucker eine gleiche
Wirkung haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="232"/><fw place="top" type="header">Hefe, Ferment.</fw><lb/>&#x017F;&#x017F;rige Aufguß an der Luft erkaltet und eine Zeitlang mit<lb/>
der Luft in Berührung gela&#x017F;&#x017F;en war; in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande mit<lb/>
Zuckerwa&#x017F;&#x017F;er zu&#x017F;ammen gebracht, bringt er eine lebhafte Gäh-<lb/>
rung hervor; ohne zuvor der Luft ausge&#x017F;etzt gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein,<lb/>
tritt keine Gährung ein.</p><lb/>
          <p>Bei dem Contact mit der Luft erfolgt aber eine Ab&#x017F;orbtion<lb/>
des Sauer&#x017F;toffs und man findet in dem Aufguß nach einiger<lb/>
Zeit freie Kohlen&#x017F;äure.</p><lb/>
          <p>Die Hefe bringt mithin Gährung hervor in Folge einer<lb/>
fort&#x017F;chreitenden Zer&#x017F;etzung, die &#x017F;ie bei Gegenwart von Luft in<lb/>
Berührung mit Wa&#x017F;&#x017F;er erleidet.</p><lb/>
          <p>Unter&#x017F;uchen wir ferner, ob und welche Veränderung mit<lb/>
der Hefe vor &#x017F;ich geht, wenn &#x017F;ie in Berührung war mit Zucker-<lb/>
wa&#x017F;&#x017F;er, in welchem die Metamorpho&#x017F;e des Zuckers vollendet<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o zeigt &#x017F;ich, daß mit der Verwandlung des Zuckers in<lb/>
Kohlen&#x017F;äure und Alkohol ein Ver&#x017F;chwinden des Ferments ver-<lb/>
knüpft i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Von 20 Th. fri&#x017F;cher Bierhefe und 100 Th. Zucker erhielt<lb/><hi rendition="#g">Th<hi rendition="#aq">é</hi>nard</hi> nach vollendeter Gährung 13,7 unlöslichen Rück-<lb/>
&#x017F;tand, der &#x017F;ich mit neuem Zuckerwa&#x017F;&#x017F;er, auf die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e an-<lb/>
gewendet, auf 10 Theile verminderte; die&#x017F;e 10 Theile waren<lb/>
weiß, be&#x017F;aßen die Eigen&#x017F;chaften der Holzfa&#x017F;er und verhielten<lb/>
&#x017F;ich völlig wirkungslos gegen fri&#x017F;ches Zuckerwa&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
          <p>Es ergiebt &#x017F;ich hieraus auf eine unzweifelhafte Wei&#x017F;e, daß<lb/>
bei der Gährung des reinen Zuckers mit Ferment beide neben-<lb/>
einander eine Zer&#x017F;etzung erleiden, in deren Folge &#x017F;ie beide ver-<lb/>
&#x017F;chwinden. Wenn das Ferment nun ein Körper i&#x017F;t, der &#x017F;ich<lb/>
im Zu&#x017F;tande der Fäulniß befindet, und Gährung in Folge &#x017F;ei-<lb/>
ner eigenen Zer&#x017F;etzung erregt, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en alle Materien, die &#x017F;ich<lb/>
in dem nämlichen Zu&#x017F;tande befinden, auf den Zucker eine gleiche<lb/>
Wirkung haben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0250] Hefe, Ferment. wäſſrige Aufguß an der Luft erkaltet und eine Zeitlang mit der Luft in Berührung gelaſſen war; in dieſem Zuſtande mit Zuckerwaſſer zuſammen gebracht, bringt er eine lebhafte Gäh- rung hervor; ohne zuvor der Luft ausgeſetzt geweſen zu ſein, tritt keine Gährung ein. Bei dem Contact mit der Luft erfolgt aber eine Abſorbtion des Sauerſtoffs und man findet in dem Aufguß nach einiger Zeit freie Kohlenſäure. Die Hefe bringt mithin Gährung hervor in Folge einer fortſchreitenden Zerſetzung, die ſie bei Gegenwart von Luft in Berührung mit Waſſer erleidet. Unterſuchen wir ferner, ob und welche Veränderung mit der Hefe vor ſich geht, wenn ſie in Berührung war mit Zucker- waſſer, in welchem die Metamorphoſe des Zuckers vollendet iſt, ſo zeigt ſich, daß mit der Verwandlung des Zuckers in Kohlenſäure und Alkohol ein Verſchwinden des Ferments ver- knüpft iſt. Von 20 Th. friſcher Bierhefe und 100 Th. Zucker erhielt Thénard nach vollendeter Gährung 13,7 unlöslichen Rück- ſtand, der ſich mit neuem Zuckerwaſſer, auf dieſelbe Weiſe an- gewendet, auf 10 Theile verminderte; dieſe 10 Theile waren weiß, beſaßen die Eigenſchaften der Holzfaſer und verhielten ſich völlig wirkungslos gegen friſches Zuckerwaſſer. Es ergiebt ſich hieraus auf eine unzweifelhafte Weiſe, daß bei der Gährung des reinen Zuckers mit Ferment beide neben- einander eine Zerſetzung erleiden, in deren Folge ſie beide ver- ſchwinden. Wenn das Ferment nun ein Körper iſt, der ſich im Zuſtande der Fäulniß befindet, und Gährung in Folge ſei- ner eigenen Zerſetzung erregt, ſo müſſen alle Materien, die ſich in dem nämlichen Zuſtande befinden, auf den Zucker eine gleiche Wirkung haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/250
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/250>, abgerufen am 18.12.2024.