Neben den sich zerlegenden Zuckertheilchen befinden sich Theile des in Oxidation im Innern der Flüssigkeit begriffenen Klebers. Kohlensäure von dem Zucker, unauflösliches Ferment von dem Kleber, scheiden sich gleichzeitig neben einander ab, und der letzte Act von Verbindung zeigt sich in beiden durch Adhäsion.
Nach der Vollendung der Metamorphose des Zuckers bleibt noch eine große Menge Kleber in der gegohrenen Flüssigkeit in Auflösung, und dieser Kleber, durch seine ausgezeichnete Nei- gung, Sauerstoff anzuziehen und zu verwesen, veranlaßt den Uebergang des Alkohols in Essig; mit seiner gänzlichen Ent- fernung und mit der Entfernung aller oxidationsfähigen Ma- terien, würde das Bier, seine Fähigkeit, sauer zu werden, ver- loren haben. Diese Bedingungen werden nun vollkommen er- füllt durch das baiersche Gährverfahren.
Die gehopfte Würze läßt man in sehr weiten offenen Ku- fen in Gährung übergehen, in welchen die Flüssigkeit der Luft eine große Oberfläche darbietet; man läßt sie an kühlen Or- ten vor sich gehen, deren Temperatur 6--8° R. nicht über- steigt. Die Gährung dauert 3 bis 6 Wochen; die Kohlen- säure entwickelt sich nicht in großen voluminösen, auf der Oberfläche zerplatzender Basen, sondern in feinen Bläschen wie aus einem Säuerling, wie aus einer Flüssigkeit, die da- mit in höherem Drucke übersättigt war. Die Oberfläche der Flüssigkeit ist kaum mit Schaum bedeckt, und alle Hefe setzt sich auf den Boden der Kufe in Gestalt eines feinen zähen Schlammes als sogenannte Unterhefe ab.
Um sich eine klare Vorstellung von der großen Verschieden- heit der beiden Gährungsprocesse, der Ober- und Unter- gährung zu verschaffen, genügt es vielleicht, darauf zurückzu- weisen, daß die Metamorphose des Klebers, oder der stickstoff-
Wein- und Biergährung.
Neben den ſich zerlegenden Zuckertheilchen befinden ſich Theile des in Oxidation im Innern der Flüſſigkeit begriffenen Klebers. Kohlenſäure von dem Zucker, unauflösliches Ferment von dem Kleber, ſcheiden ſich gleichzeitig neben einander ab, und der letzte Act von Verbindung zeigt ſich in beiden durch Adhäſion.
Nach der Vollendung der Metamorphoſe des Zuckers bleibt noch eine große Menge Kleber in der gegohrenen Flüſſigkeit in Auflöſung, und dieſer Kleber, durch ſeine ausgezeichnete Nei- gung, Sauerſtoff anzuziehen und zu verweſen, veranlaßt den Uebergang des Alkohols in Eſſig; mit ſeiner gänzlichen Ent- fernung und mit der Entfernung aller oxidationsfähigen Ma- terien, würde das Bier, ſeine Fähigkeit, ſauer zu werden, ver- loren haben. Dieſe Bedingungen werden nun vollkommen er- füllt durch das baierſche Gährverfahren.
Die gehopfte Würze läßt man in ſehr weiten offenen Ku- fen in Gährung übergehen, in welchen die Flüſſigkeit der Luft eine große Oberfläche darbietet; man läßt ſie an kühlen Or- ten vor ſich gehen, deren Temperatur 6—8° R. nicht über- ſteigt. Die Gährung dauert 3 bis 6 Wochen; die Kohlen- ſäure entwickelt ſich nicht in großen voluminöſen, auf der Oberfläche zerplatzender Baſen, ſondern in feinen Bläschen wie aus einem Säuerling, wie aus einer Flüſſigkeit, die da- mit in höherem Drucke überſättigt war. Die Oberfläche der Flüſſigkeit iſt kaum mit Schaum bedeckt, und alle Hefe ſetzt ſich auf den Boden der Kufe in Geſtalt eines feinen zähen Schlammes als ſogenannte Unterhefe ab.
Um ſich eine klare Vorſtellung von der großen Verſchieden- heit der beiden Gährungsproceſſe, der Ober- und Unter- gährung zu verſchaffen, genügt es vielleicht, darauf zurückzu- weiſen, daß die Metamorphoſe des Klebers, oder der ſtickſtoff-
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Wein- und Biergährung.
Neben den ſich zerlegenden Zuckertheilchen befinden ſich
Theile des in Oxidation im Innern der Flüſſigkeit begriffenen
Klebers. Kohlenſäure von dem Zucker, unauflösliches Ferment
von dem Kleber, ſcheiden ſich gleichzeitig neben einander ab,
und der letzte Act von Verbindung zeigt ſich in beiden durch
Adhäſion.
Nach der Vollendung der Metamorphoſe des Zuckers bleibt
noch eine große Menge Kleber in der gegohrenen Flüſſigkeit in
Auflöſung, und dieſer Kleber, durch ſeine ausgezeichnete Nei-
gung, Sauerſtoff anzuziehen und zu verweſen, veranlaßt den
Uebergang des Alkohols in Eſſig; mit ſeiner gänzlichen Ent-
fernung und mit der Entfernung aller oxidationsfähigen Ma-
terien, würde das Bier, ſeine Fähigkeit, ſauer zu werden, ver-
loren haben. Dieſe Bedingungen werden nun vollkommen er-
füllt durch das baierſche Gährverfahren.
Die gehopfte Würze läßt man in ſehr weiten offenen Ku-
fen in Gährung übergehen, in welchen die Flüſſigkeit der Luft
eine große Oberfläche darbietet; man läßt ſie an kühlen Or-
ten vor ſich gehen, deren Temperatur 6—8° R. nicht über-
ſteigt. Die Gährung dauert 3 bis 6 Wochen; die Kohlen-
ſäure entwickelt ſich nicht in großen voluminöſen, auf der
Oberfläche zerplatzender Baſen, ſondern in feinen Bläschen
wie aus einem Säuerling, wie aus einer Flüſſigkeit, die da-
mit in höherem Drucke überſättigt war. Die Oberfläche der
Flüſſigkeit iſt kaum mit Schaum bedeckt, und alle Hefe ſetzt
ſich auf den Boden der Kufe in Geſtalt eines feinen zähen
Schlammes als ſogenannte Unterhefe ab.
Um ſich eine klare Vorſtellung von der großen Verſchieden-
heit der beiden Gährungsproceſſe, der Ober- und Unter-
gährung zu verſchaffen, genügt es vielleicht, darauf zurückzu-
weiſen, daß die Metamorphoſe des Klebers, oder der ſtickſtoff-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/287>, abgerufen am 24.11.2024.
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