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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.
Holz oder 2800 Lb Heu oder 200 Ctr Runkelrüben, die Er-
träge von 1 Morgen Wald, Wiese und cultivirtem Land in
der Form von vegetabilischem Eiweiß oder Kleber -- es ist we-
niger als Stroh, Korn und Wurzeln auf einem Morgen Ge-
treidefeld, enthalten.

Die genauesten und mit aller Sorgfalt in dem hie-
sigen Laboratorium angestellten Versuche haben den Amoniak-
gehalt des Regenwassers außer allem Zweifel gestellt; er
ist bis jetzt nur deßhalb aller Beachtung entgangen, weil
Niemand daran gedacht hat, in Beziehung auf seine Gegen-
wart eine Frage zu stellen.

Alles Regenwasser, was zu diesen Versuchen genommen
wurde, war etwa 600 Schritte, südwestlich von der Stadt
Gießen, in einer Lage aufgefangen, wo die Richtung des Re-
genwindes nach der Stadt zugekehrt war.

Wenn man mehrere hundert Pfunde Regenwasser in ei-
ner reinen kupfernen Blase der Destillation unterwarf und die
ersten vorübergehenden Pfunde mit Zusatz von Salzsäure ver-
dampfen ließ, so bekam man nach gehöriger Concentration
beim Erkalten eine netzförmige sehr erkennbare Krystallisation
von Salmiak; stets waren die Krystalle braun oder gelb
gefärbt.

Das Ammoniak fehlt eben so wenig im Schneewasser.
Der Schnee enthält beim Beginn des Schneefalles ein Maxi-
mum von Ammoniak, und selbst in dem, welcher 9 Stunden
nach dem Anfang des Schneiens gefallen war, ließ sich das
Ammoniak aufs Deutlichste nachweisen.

Bemerkenswerth ist, daß das im Schnee und Regenwasser
vorhandene Ammoniak, wenn es durch Kalk entwickelt wird, von
einem auffallenden Geruch nach Schweiß und fauligen Stoffen
begleitet ist, was über seinen Ursprung keinen Zweifel läßt.

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.
Holz oder 2800 ℔ Heu oder 200 Ctr Runkelrüben, die Er-
träge von 1 Morgen Wald, Wieſe und cultivirtem Land in
der Form von vegetabiliſchem Eiweiß oder Kleber — es iſt we-
niger als Stroh, Korn und Wurzeln auf einem Morgen Ge-
treidefeld, enthalten.

Die genaueſten und mit aller Sorgfalt in dem hie-
ſigen Laboratorium angeſtellten Verſuche haben den Amoniak-
gehalt des Regenwaſſers außer allem Zweifel geſtellt; er
iſt bis jetzt nur deßhalb aller Beachtung entgangen, weil
Niemand daran gedacht hat, in Beziehung auf ſeine Gegen-
wart eine Frage zu ſtellen.

Alles Regenwaſſer, was zu dieſen Verſuchen genommen
wurde, war etwa 600 Schritte, ſüdweſtlich von der Stadt
Gießen, in einer Lage aufgefangen, wo die Richtung des Re-
genwindes nach der Stadt zugekehrt war.

Wenn man mehrere hundert Pfunde Regenwaſſer in ei-
ner reinen kupfernen Blaſe der Deſtillation unterwarf und die
erſten vorübergehenden Pfunde mit Zuſatz von Salzſäure ver-
dampfen ließ, ſo bekam man nach gehöriger Concentration
beim Erkalten eine netzförmige ſehr erkennbare Kryſtalliſation
von Salmiak; ſtets waren die Kryſtalle braun oder gelb
gefärbt.

Das Ammoniak fehlt eben ſo wenig im Schneewaſſer.
Der Schnee enthält beim Beginn des Schneefalles ein Maxi-
mum von Ammoniak, und ſelbſt in dem, welcher 9 Stunden
nach dem Anfang des Schneiens gefallen war, ließ ſich das
Ammoniak aufs Deutlichſte nachweiſen.

Bemerkenswerth iſt, daß das im Schnee und Regenwaſſer
vorhandene Ammoniak, wenn es durch Kalk entwickelt wird, von
einem auffallenden Geruch nach Schweiß und fauligen Stoffen
begleitet iſt, was über ſeinen Urſprung keinen Zweifel läßt.

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[70/0088] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. Holz oder 2800 ℔ Heu oder 200 Ctr Runkelrüben, die Er- träge von 1 Morgen Wald, Wieſe und cultivirtem Land in der Form von vegetabiliſchem Eiweiß oder Kleber — es iſt we- niger als Stroh, Korn und Wurzeln auf einem Morgen Ge- treidefeld, enthalten. Die genaueſten und mit aller Sorgfalt in dem hie- ſigen Laboratorium angeſtellten Verſuche haben den Amoniak- gehalt des Regenwaſſers außer allem Zweifel geſtellt; er iſt bis jetzt nur deßhalb aller Beachtung entgangen, weil Niemand daran gedacht hat, in Beziehung auf ſeine Gegen- wart eine Frage zu ſtellen. Alles Regenwaſſer, was zu dieſen Verſuchen genommen wurde, war etwa 600 Schritte, ſüdweſtlich von der Stadt Gießen, in einer Lage aufgefangen, wo die Richtung des Re- genwindes nach der Stadt zugekehrt war. Wenn man mehrere hundert Pfunde Regenwaſſer in ei- ner reinen kupfernen Blaſe der Deſtillation unterwarf und die erſten vorübergehenden Pfunde mit Zuſatz von Salzſäure ver- dampfen ließ, ſo bekam man nach gehöriger Concentration beim Erkalten eine netzförmige ſehr erkennbare Kryſtalliſation von Salmiak; ſtets waren die Kryſtalle braun oder gelb gefärbt. Das Ammoniak fehlt eben ſo wenig im Schneewaſſer. Der Schnee enthält beim Beginn des Schneefalles ein Maxi- mum von Ammoniak, und ſelbſt in dem, welcher 9 Stunden nach dem Anfang des Schneiens gefallen war, ließ ſich das Ammoniak aufs Deutlichſte nachweiſen. Bemerkenswerth iſt, daß das im Schnee und Regenwaſſer vorhandene Ammoniak, wenn es durch Kalk entwickelt wird, von einem auffallenden Geruch nach Schweiß und fauligen Stoffen begleitet iſt, was über ſeinen Urſprung keinen Zweifel läßt.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/88>, abgerufen am 21.11.2024.