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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.

Hünefeld hat dargethan, daß alle Brunnen in Greifs-
walde, Wiek, Eldena, Kostenhagen
kohlensaures und
salpetersaures Ammoniak enthalten; man hat Ammoniaksalze
in vielen Mineralquellen z. B. in Kissingen und anderswo
entdeckt; der Gehalt der letzteren kann allein nur aus der At-
mosphäre kommen.

Jedermann kann sich auf die einfachste Weise von seinem
Vorhandensein im Regenwasser überzeugen, wenn man frisch
aufgefangenes Regenwasser, in reinen Porcellanschalen, mit Zu-
satz von etwas Schwefelsäure oder Salzsäure, bis nahe zur
Trockniß verdampfen läßt. Diese Säuren nehmen dem Am-
moniak, indem sie sich damit verbinden, seine Flüchtigkeit; der
Rückstand enthält Salmiak oder schwefelsaures Ammoniak, das
man mit Platinchlorid und noch viel leichter an dem durch-
dringend urinösen Geruch erkennt, welcher sich beim Zusatz
von pulverigen Kalkhydrat entwickelt.

Von diesem Ammoniakgehalt rührt die von dem reinen de-
stillirten Wasser so verschiedene Beschaffenheit, in der Benetzung
der Haut, sogenannte Weichheit, des Regenwassers her; es
ist darin enthalten als kohlensaures Ammoniak.

Das Vorhandensein des Ammoniaks in der Atmosphäre,
als unbestreitbare Thatsache festgestellt, wissen wir, daß sich
seine Gegenwart in jedem Zeitmomente, durch die ununterbro-
chene fortschreitende Fäulniß und Verwesung thierischer und
vegetabilischer Stoffe in der Luft wieder erneuert; ein Theil
des mit dem Regenwasser niedergefallenen Ammoniaks ver-
dampft wieder mit dem Wasser, ein anderer Theil wird, wir
wollen es annehmen, von den Wurzeln der Pflanzen aufge-
nommen, und indem er neue Verbindungen eingeht, entstehen
daraus, je nach den verschiedenen Organen der Assimilation,
Eiweißstoff, Kleber, Chinin, Morphium, Cyan und die große

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.

Hünefeld hat dargethan, daß alle Brunnen in Greifs-
walde, Wiek, Eldena, Koſtenhagen
kohlenſaures und
ſalpeterſaures Ammoniak enthalten; man hat Ammoniakſalze
in vielen Mineralquellen z. B. in Kiſſingen und anderswo
entdeckt; der Gehalt der letzteren kann allein nur aus der At-
moſphäre kommen.

Jedermann kann ſich auf die einfachſte Weiſe von ſeinem
Vorhandenſein im Regenwaſſer überzeugen, wenn man friſch
aufgefangenes Regenwaſſer, in reinen Porcellanſchalen, mit Zu-
ſatz von etwas Schwefelſäure oder Salzſäure, bis nahe zur
Trockniß verdampfen läßt. Dieſe Säuren nehmen dem Am-
moniak, indem ſie ſich damit verbinden, ſeine Flüchtigkeit; der
Rückſtand enthält Salmiak oder ſchwefelſaures Ammoniak, das
man mit Platinchlorid und noch viel leichter an dem durch-
dringend urinöſen Geruch erkennt, welcher ſich beim Zuſatz
von pulverigen Kalkhydrat entwickelt.

Von dieſem Ammoniakgehalt rührt die von dem reinen de-
ſtillirten Waſſer ſo verſchiedene Beſchaffenheit, in der Benetzung
der Haut, ſogenannte Weichheit, des Regenwaſſers her; es
iſt darin enthalten als kohlenſaures Ammoniak.

Das Vorhandenſein des Ammoniaks in der Atmoſphäre,
als unbeſtreitbare Thatſache feſtgeſtellt, wiſſen wir, daß ſich
ſeine Gegenwart in jedem Zeitmomente, durch die ununterbro-
chene fortſchreitende Fäulniß und Verweſung thieriſcher und
vegetabiliſcher Stoffe in der Luft wieder erneuert; ein Theil
des mit dem Regenwaſſer niedergefallenen Ammoniaks ver-
dampft wieder mit dem Waſſer, ein anderer Theil wird, wir
wollen es annehmen, von den Wurzeln der Pflanzen aufge-
nommen, und indem er neue Verbindungen eingeht, entſtehen
daraus, je nach den verſchiedenen Organen der Aſſimilation,
Eiweißſtoff, Kleber, Chinin, Morphium, Cyan und die große

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[71/0089] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. Hünefeld hat dargethan, daß alle Brunnen in Greifs- walde, Wiek, Eldena, Koſtenhagen kohlenſaures und ſalpeterſaures Ammoniak enthalten; man hat Ammoniakſalze in vielen Mineralquellen z. B. in Kiſſingen und anderswo entdeckt; der Gehalt der letzteren kann allein nur aus der At- moſphäre kommen. Jedermann kann ſich auf die einfachſte Weiſe von ſeinem Vorhandenſein im Regenwaſſer überzeugen, wenn man friſch aufgefangenes Regenwaſſer, in reinen Porcellanſchalen, mit Zu- ſatz von etwas Schwefelſäure oder Salzſäure, bis nahe zur Trockniß verdampfen läßt. Dieſe Säuren nehmen dem Am- moniak, indem ſie ſich damit verbinden, ſeine Flüchtigkeit; der Rückſtand enthält Salmiak oder ſchwefelſaures Ammoniak, das man mit Platinchlorid und noch viel leichter an dem durch- dringend urinöſen Geruch erkennt, welcher ſich beim Zuſatz von pulverigen Kalkhydrat entwickelt. Von dieſem Ammoniakgehalt rührt die von dem reinen de- ſtillirten Waſſer ſo verſchiedene Beſchaffenheit, in der Benetzung der Haut, ſogenannte Weichheit, des Regenwaſſers her; es iſt darin enthalten als kohlenſaures Ammoniak. Das Vorhandenſein des Ammoniaks in der Atmoſphäre, als unbeſtreitbare Thatſache feſtgeſtellt, wiſſen wir, daß ſich ſeine Gegenwart in jedem Zeitmomente, durch die ununterbro- chene fortſchreitende Fäulniß und Verweſung thieriſcher und vegetabiliſcher Stoffe in der Luft wieder erneuert; ein Theil des mit dem Regenwaſſer niedergefallenen Ammoniaks ver- dampft wieder mit dem Waſſer, ein anderer Theil wird, wir wollen es annehmen, von den Wurzeln der Pflanzen aufge- nommen, und indem er neue Verbindungen eingeht, entſtehen daraus, je nach den verſchiedenen Organen der Aſſimilation, Eiweißſtoff, Kleber, Chinin, Morphium, Cyan und die große

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/89>, abgerufen am 24.11.2024.