Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.

Die Nahrungsmittel, welche Thiere und Menschen zu sich
nehmen, unterhalten nur insofern das Leben, die Assimilation,
als sie dem Organismus die Elemente darbieten, die er zu
seiner eigenen Reproduction bedarf; das Getreide, die frischen
und trocknen Gräser und Pflanzen enthalten ohne Ausnahme
stickstoffreiche Bestandtheile.

Das Gewicht des Futters und der Speise, welche das Thier
zu seiner Ernährung zu sich nimmt, vermindert sich in
dem nämlichen Verhältniß, als dieses Futter, die Speise,
reich, sie nimmt in dem Verhältniß zu, als das Futter arm
ist, an diesen stickstoffhaltigen Bestandtheilen. Man kann durch
Fütterung mit Kartoffeln allein ein Pferd am Leben erhalten,
aber dieses Leben ist ein langsames Verhungern, es wächst ihm
weder Masse noch Kraft zu, es unterliegt einer jeden Anstren-
gung. Die Quantitäten von Reis, welche der Indier bei
seiner Mahlzeit zu sich nimmt, setzen den Europäer in Erstau-
nen, aber der Reis ist die an Stickstoff ärmste unter allen
Getreidearten.

Es ist klar, daß der Stickstoff der Pflanzen und Saamen,
welche Thieren zur Nahrung dienen, zur Assimilation verwen-
det wird, die Excremente dieser Thiere müssen, wenn sie
verdaut sind, ihres Stickstoffs beraubt sein, sie können nur in-
sofern Stickstoff noch enthalten, als ihnen Secretionen der
Galle und Eingeweide beigemischt sind. Sie müssen unter
allen Umständen weniger Stickstoff enthalten, als die Speisen,
als das Futter. Die Excremente der Menschen sind unter
allen die stickstoffreichsten, denn das Essen ist bei ihnen nicht
nur die Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern zugleich eine
Quelle von Genuß, sie genießen mehr Stickstoff, als sie bedür-
fen, und dieser Ueberschuß geht in die Excremente über.

Wir bringen demnach in der Bewirthschaftung der Felder,

Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.

Die Nahrungsmittel, welche Thiere und Menſchen zu ſich
nehmen, unterhalten nur inſofern das Leben, die Aſſimilation,
als ſie dem Organismus die Elemente darbieten, die er zu
ſeiner eigenen Reproduction bedarf; das Getreide, die friſchen
und trocknen Gräſer und Pflanzen enthalten ohne Ausnahme
ſtickſtoffreiche Beſtandtheile.

Das Gewicht des Futters und der Speiſe, welche das Thier
zu ſeiner Ernährung zu ſich nimmt, vermindert ſich in
dem nämlichen Verhältniß, als dieſes Futter, die Speiſe,
reich, ſie nimmt in dem Verhältniß zu, als das Futter arm
iſt, an dieſen ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen. Man kann durch
Fütterung mit Kartoffeln allein ein Pferd am Leben erhalten,
aber dieſes Leben iſt ein langſames Verhungern, es wächſt ihm
weder Maſſe noch Kraft zu, es unterliegt einer jeden Anſtren-
gung. Die Quantitäten von Reis, welche der Indier bei
ſeiner Mahlzeit zu ſich nimmt, ſetzen den Europäer in Erſtau-
nen, aber der Reis iſt die an Stickſtoff ärmſte unter allen
Getreidearten.

Es iſt klar, daß der Stickſtoff der Pflanzen und Saamen,
welche Thieren zur Nahrung dienen, zur Aſſimilation verwen-
det wird, die Excremente dieſer Thiere müſſen, wenn ſie
verdaut ſind, ihres Stickſtoffs beraubt ſein, ſie können nur in-
ſofern Stickſtoff noch enthalten, als ihnen Secretionen der
Galle und Eingeweide beigemiſcht ſind. Sie müſſen unter
allen Umſtänden weniger Stickſtoff enthalten, als die Speiſen,
als das Futter. Die Excremente der Menſchen ſind unter
allen die ſtickſtoffreichſten, denn das Eſſen iſt bei ihnen nicht
nur die Befriedigung eines Bedürfniſſes, ſondern zugleich eine
Quelle von Genuß, ſie genießen mehr Stickſtoff, als ſie bedür-
fen, und dieſer Ueberſchuß geht in die Excremente über.

Wir bringen demnach in der Bewirthſchaftung der Felder,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0095" n="77"/>
          <fw place="top" type="header">Der Ur&#x017F;prung und die A&#x017F;&#x017F;imilation des Stick&#x017F;toffs.</fw><lb/>
          <p>Die Nahrungsmittel, welche Thiere und Men&#x017F;chen zu &#x017F;ich<lb/>
nehmen, unterhalten nur in&#x017F;ofern das Leben, die A&#x017F;&#x017F;imilation,<lb/>
als &#x017F;ie dem Organismus die Elemente darbieten, die er zu<lb/>
&#x017F;einer eigenen Reproduction bedarf; das Getreide, die fri&#x017F;chen<lb/>
und trocknen Grä&#x017F;er und Pflanzen enthalten ohne Ausnahme<lb/>
&#x017F;tick&#x017F;toffreiche Be&#x017F;tandtheile.</p><lb/>
          <p>Das Gewicht des Futters und der Spei&#x017F;e, welche das Thier<lb/>
zu &#x017F;einer Ernährung zu &#x017F;ich nimmt, vermindert &#x017F;ich in<lb/>
dem nämlichen Verhältniß, als die&#x017F;es Futter, die Spei&#x017F;e,<lb/>
reich, &#x017F;ie nimmt in dem Verhältniß zu, als das Futter arm<lb/>
i&#x017F;t, an die&#x017F;en &#x017F;tick&#x017F;toffhaltigen Be&#x017F;tandtheilen. Man kann durch<lb/>
Fütterung mit Kartoffeln allein ein Pferd am Leben erhalten,<lb/>
aber die&#x017F;es Leben i&#x017F;t ein lang&#x017F;ames Verhungern, es wäch&#x017F;t ihm<lb/>
weder Ma&#x017F;&#x017F;e noch Kraft zu, es unterliegt einer jeden An&#x017F;tren-<lb/>
gung. Die Quantitäten von Reis, welche der Indier bei<lb/>
&#x017F;einer Mahlzeit zu &#x017F;ich nimmt, &#x017F;etzen den Europäer in Er&#x017F;tau-<lb/>
nen, aber der Reis i&#x017F;t die an Stick&#x017F;toff ärm&#x017F;te unter allen<lb/>
Getreidearten.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t klar, daß der Stick&#x017F;toff der Pflanzen und Saamen,<lb/>
welche Thieren zur Nahrung dienen, zur A&#x017F;&#x017F;imilation verwen-<lb/>
det wird, die Excremente die&#x017F;er Thiere mü&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie<lb/>
verdaut &#x017F;ind, ihres Stick&#x017F;toffs beraubt &#x017F;ein, &#x017F;ie können nur in-<lb/>
&#x017F;ofern Stick&#x017F;toff noch enthalten, als ihnen Secretionen der<lb/>
Galle und Eingeweide beigemi&#x017F;cht &#x017F;ind. Sie mü&#x017F;&#x017F;en unter<lb/>
allen Um&#x017F;tänden weniger Stick&#x017F;toff enthalten, als die Spei&#x017F;en,<lb/>
als das Futter. Die Excremente der Men&#x017F;chen &#x017F;ind unter<lb/>
allen die &#x017F;tick&#x017F;toffreich&#x017F;ten, denn das E&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t bei ihnen nicht<lb/>
nur die Befriedigung eines Bedürfni&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;ondern zugleich eine<lb/>
Quelle von Genuß, &#x017F;ie genießen mehr Stick&#x017F;toff, als &#x017F;ie bedür-<lb/>
fen, und die&#x017F;er Ueber&#x017F;chuß geht in die Excremente über.</p><lb/>
          <p>Wir bringen demnach in der Bewirth&#x017F;chaftung der Felder,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0095] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. Die Nahrungsmittel, welche Thiere und Menſchen zu ſich nehmen, unterhalten nur inſofern das Leben, die Aſſimilation, als ſie dem Organismus die Elemente darbieten, die er zu ſeiner eigenen Reproduction bedarf; das Getreide, die friſchen und trocknen Gräſer und Pflanzen enthalten ohne Ausnahme ſtickſtoffreiche Beſtandtheile. Das Gewicht des Futters und der Speiſe, welche das Thier zu ſeiner Ernährung zu ſich nimmt, vermindert ſich in dem nämlichen Verhältniß, als dieſes Futter, die Speiſe, reich, ſie nimmt in dem Verhältniß zu, als das Futter arm iſt, an dieſen ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheilen. Man kann durch Fütterung mit Kartoffeln allein ein Pferd am Leben erhalten, aber dieſes Leben iſt ein langſames Verhungern, es wächſt ihm weder Maſſe noch Kraft zu, es unterliegt einer jeden Anſtren- gung. Die Quantitäten von Reis, welche der Indier bei ſeiner Mahlzeit zu ſich nimmt, ſetzen den Europäer in Erſtau- nen, aber der Reis iſt die an Stickſtoff ärmſte unter allen Getreidearten. Es iſt klar, daß der Stickſtoff der Pflanzen und Saamen, welche Thieren zur Nahrung dienen, zur Aſſimilation verwen- det wird, die Excremente dieſer Thiere müſſen, wenn ſie verdaut ſind, ihres Stickſtoffs beraubt ſein, ſie können nur in- ſofern Stickſtoff noch enthalten, als ihnen Secretionen der Galle und Eingeweide beigemiſcht ſind. Sie müſſen unter allen Umſtänden weniger Stickſtoff enthalten, als die Speiſen, als das Futter. Die Excremente der Menſchen ſind unter allen die ſtickſtoffreichſten, denn das Eſſen iſt bei ihnen nicht nur die Befriedigung eines Bedürfniſſes, ſondern zugleich eine Quelle von Genuß, ſie genießen mehr Stickſtoff, als ſie bedür- fen, und dieſer Ueberſchuß geht in die Excremente über. Wir bringen demnach in der Bewirthſchaftung der Felder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/95
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/95>, abgerufen am 21.11.2024.