Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Ursprung und die Assimilation des Stickstoffs.

Man sieht leicht, daß die gewöhnliche Ansicht über den
Einfluß gewisser Salze auf die Entwickelung der Pflanzen
weiter nichts bethätigt, als daß man die Ursache nicht kannte.

Die Wirkung des Gypses, des Chlorcalciums ist eine Fixi-
rung des Stickstoffs, ein Festhalten in dem Boden von Am-
moniak, was die Pflanzen nicht entbehren können.

Um sich eine bestimmte Vorstellung von der Wirksamkeit
des Gypses zu machen, wird die Bemerkung genügen, daß
100 Lb gebrannter Gyps so viel Ammoniak in dem Boden fixi-
ren, als 6250 Lb reiner Pferdeharn *) demselben in der Vor-
aussetzung zuführen können, daß der Stickstoff der Hippursäure
und der des Harnstoffs in der Form von kohlensaurem Am-
moniak ohne den geringsten Verlust an der Pflanze aufgenom-
men wurden.

Nehmen wir nun nach Boussingault (Ann. de chim.
et de phys. T. LXIII. pag.
243) an, daß das Gras 1/100
seines Gewichts Stickstoff enthält, so steigert ein Pfd Stickstoff,
welches wir mehr zuführen, den Ertrag der Wiese um 100 Lb
Futter, und diese 100 Lb Mehrertrag, sind der Erfolg der Wir-
kung von 4 Lb Gyps.

Zur Assimilation des gebildeten schwefelsauren Ammoniaks
und zur Zersetzung des Gypses ist, seiner Schwerlöslichkeit
(1 Theil bedarf 400 Theile Wasser) wegen, Wasser die un-
entbehrlichste Bedingung, auf trockenen Feldern und Wiesen ist
deshalb sein Einfluß nicht bemerkbar, während auf diesen, thie-

*) Der Pferdeharn enthält nach Fourcroy und Vauquelin in 1000
Theilen:
Harnstoff ....... 7 Theile,
hippursaures Natron 24 "
Salze und Wasser . 979 "
1000 Theile.
6
Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs.

Man ſieht leicht, daß die gewöhnliche Anſicht über den
Einfluß gewiſſer Salze auf die Entwickelung der Pflanzen
weiter nichts bethätigt, als daß man die Urſache nicht kannte.

Die Wirkung des Gypſes, des Chlorcalciums iſt eine Fixi-
rung des Stickſtoffs, ein Feſthalten in dem Boden von Am-
moniak, was die Pflanzen nicht entbehren können.

Um ſich eine beſtimmte Vorſtellung von der Wirkſamkeit
des Gypſes zu machen, wird die Bemerkung genügen, daß
100 ℔ gebrannter Gyps ſo viel Ammoniak in dem Boden fixi-
ren, als 6250 ℔ reiner Pferdeharn *) demſelben in der Vor-
ausſetzung zuführen können, daß der Stickſtoff der Hippurſäure
und der des Harnſtoffs in der Form von kohlenſaurem Am-
moniak ohne den geringſten Verluſt an der Pflanze aufgenom-
men wurden.

Nehmen wir nun nach Bouſſingault (Ann. de chim.
et de phys. T. LXIII. pag.
243) an, daß das Gras 1/100
ſeines Gewichts Stickſtoff enthält, ſo ſteigert ein Pfd Stickſtoff,
welches wir mehr zuführen, den Ertrag der Wieſe um 100 ℔
Futter, und dieſe 100 ℔ Mehrertrag, ſind der Erfolg der Wir-
kung von 4 ℔ Gyps.

Zur Aſſimilation des gebildeten ſchwefelſauren Ammoniaks
und zur Zerſetzung des Gypſes iſt, ſeiner Schwerlöslichkeit
(1 Theil bedarf 400 Theile Waſſer) wegen, Waſſer die un-
entbehrlichſte Bedingung, auf trockenen Feldern und Wieſen iſt
deshalb ſein Einfluß nicht bemerkbar, während auf dieſen, thie-

*) Der Pferdeharn enthält nach Fourcroy und Vauquelin in 1000
Theilen:
Harnſtoff ....... 7 Theile,
hippurſaures Natron 24 »
Salze und Waſſer . 979 »
1000 Theile.
6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0099" n="81"/>
          <fw place="top" type="header">Der Ur&#x017F;prung und die A&#x017F;&#x017F;imilation des Stick&#x017F;toffs.</fw><lb/>
          <p>Man &#x017F;ieht leicht, daß die gewöhnliche An&#x017F;icht über den<lb/>
Einfluß gewi&#x017F;&#x017F;er Salze auf die Entwickelung der Pflanzen<lb/>
weiter nichts bethätigt, als daß man die Ur&#x017F;ache nicht kannte.</p><lb/>
          <p>Die Wirkung des Gyp&#x017F;es, des Chlorcalciums i&#x017F;t eine Fixi-<lb/>
rung des Stick&#x017F;toffs, ein Fe&#x017F;thalten in dem Boden von Am-<lb/>
moniak, was die Pflanzen nicht entbehren können.</p><lb/>
          <p>Um &#x017F;ich eine be&#x017F;timmte Vor&#x017F;tellung von der Wirk&#x017F;amkeit<lb/>
des <hi rendition="#g">Gyp&#x017F;es</hi> zu machen, wird die Bemerkung genügen, daß<lb/>
100 &#x2114; gebrannter Gyps &#x017F;o viel Ammoniak in dem Boden fixi-<lb/>
ren, als 6250 &#x2114; reiner Pferdeharn <note place="foot" n="*)">Der Pferdeharn enthält nach <hi rendition="#g">Fourcroy</hi> und <hi rendition="#g">Vauquelin</hi> in 1000<lb/>
Theilen:<lb/><list><item>Harn&#x017F;toff ....... 7 Theile,</item><lb/><item>hippur&#x017F;aures Natron 24 »</item><lb/><item><hi rendition="#u">Salze und Wa&#x017F;&#x017F;er . 979 »</hi></item><lb/><item>1000 Theile.</item></list></note> dem&#x017F;elben in der Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung zuführen können, daß der Stick&#x017F;toff der Hippur&#x017F;äure<lb/>
und der des Harn&#x017F;toffs in der Form von kohlen&#x017F;aurem Am-<lb/>
moniak ohne den gering&#x017F;ten Verlu&#x017F;t an der Pflanze aufgenom-<lb/>
men wurden.</p><lb/>
          <p>Nehmen wir nun nach <hi rendition="#g">Bou&#x017F;&#x017F;ingault</hi> (<hi rendition="#aq">Ann. de chim.<lb/>
et de phys. T. LXIII. pag.</hi> 243) an, daß das Gras 1/100<lb/>
&#x017F;eines Gewichts Stick&#x017F;toff enthält, &#x017F;o &#x017F;teigert ein Pfd Stick&#x017F;toff,<lb/>
welches wir mehr zuführen, den Ertrag der Wie&#x017F;e um 100 &#x2114;<lb/>
Futter, und die&#x017F;e 100 &#x2114; Mehrertrag, &#x017F;ind der Erfolg der Wir-<lb/>
kung von 4 &#x2114; Gyps.</p><lb/>
          <p>Zur A&#x017F;&#x017F;imilation des gebildeten &#x017F;chwefel&#x017F;auren Ammoniaks<lb/>
und zur Zer&#x017F;etzung des Gyp&#x017F;es i&#x017F;t, &#x017F;einer Schwerlöslichkeit<lb/>
(1 Theil bedarf 400 Theile Wa&#x017F;&#x017F;er) wegen, Wa&#x017F;&#x017F;er die un-<lb/>
entbehrlich&#x017F;te Bedingung, auf trockenen Feldern und Wie&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
deshalb &#x017F;ein Einfluß nicht bemerkbar, während auf die&#x017F;en, thie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0099] Der Urſprung und die Aſſimilation des Stickſtoffs. Man ſieht leicht, daß die gewöhnliche Anſicht über den Einfluß gewiſſer Salze auf die Entwickelung der Pflanzen weiter nichts bethätigt, als daß man die Urſache nicht kannte. Die Wirkung des Gypſes, des Chlorcalciums iſt eine Fixi- rung des Stickſtoffs, ein Feſthalten in dem Boden von Am- moniak, was die Pflanzen nicht entbehren können. Um ſich eine beſtimmte Vorſtellung von der Wirkſamkeit des Gypſes zu machen, wird die Bemerkung genügen, daß 100 ℔ gebrannter Gyps ſo viel Ammoniak in dem Boden fixi- ren, als 6250 ℔ reiner Pferdeharn *) demſelben in der Vor- ausſetzung zuführen können, daß der Stickſtoff der Hippurſäure und der des Harnſtoffs in der Form von kohlenſaurem Am- moniak ohne den geringſten Verluſt an der Pflanze aufgenom- men wurden. Nehmen wir nun nach Bouſſingault (Ann. de chim. et de phys. T. LXIII. pag. 243) an, daß das Gras 1/100 ſeines Gewichts Stickſtoff enthält, ſo ſteigert ein Pfd Stickſtoff, welches wir mehr zuführen, den Ertrag der Wieſe um 100 ℔ Futter, und dieſe 100 ℔ Mehrertrag, ſind der Erfolg der Wir- kung von 4 ℔ Gyps. Zur Aſſimilation des gebildeten ſchwefelſauren Ammoniaks und zur Zerſetzung des Gypſes iſt, ſeiner Schwerlöslichkeit (1 Theil bedarf 400 Theile Waſſer) wegen, Waſſer die un- entbehrlichſte Bedingung, auf trockenen Feldern und Wieſen iſt deshalb ſein Einfluß nicht bemerkbar, während auf dieſen, thie- *) Der Pferdeharn enthält nach Fourcroy und Vauquelin in 1000 Theilen: Harnſtoff ....... 7 Theile, hippurſaures Natron 24 » Salze und Waſſer . 979 » 1000 Theile. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/99
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/99>, abgerufen am 21.11.2024.