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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
tionsproceß der pflanzenfressenden Thiere nehmen, wenn wir
die verhältnißmäßig so geringe Menge Kohlenstoff in Betrach-
tung ziehen, die sie in ihren stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln
genießen; sie steht durchaus in keinem Verhältniß zu dem durch
Lunge und Haut aufgenommenen und verbrauchten Sauerstoff.

Ein Pferd kann z. B. in vollkommen gutem Zustande erhal-
ten werden, wenn ihm täglich 15 Pfd. Heu und 41/2 Pfd. Ha-
fer zur Nahrung gegeben werden. Wenn wir uns nun den gan-
zen Gehalt dieser Nahrungsstoffe an Stickstoff, so wie ihn die
Elementaranalyse festgesetzt hat (Heu 1,5 pCt., Hafer 2,2 pCt.) 15)
rückwärts in Blut, nämlich in Fibrin und Albumin, mit dem
ganzen Wassergehalt des Blutes (80 pCt.) verwandelt denken,
so empfängt das Pferd täglich nur 8 9/10 Loth Stickstoff, welche
etwas über 8 Pfd. Blut entsprechen. Mit diesem Stickstoff hat
aber das Thier, von den andern Bestandtheilen, welche damit
verbunden waren, nur 28 9/10 Loth Kohlenstoff empfangen.
Nur 15 9/10 Loth von diesen 28 9/10 Loth Kohlenstoff konnten
zur Respiration verwendet worden sein, denn mit dem Stick-
stoff, der durch den Harn ausgeleert wird, treten in der Form
von Harnstoff 6 Lothe und in der Form von Hippursäure 7
weitere Lothe wieder aus.

Ohne weitere Rechnung anzustellen, wird Jedermann zuge-
ben, daß das Luftvolum, was ein Pferd ein- und ausathmet,
daß die Menge des von ihm verzehrten Sauerstoffgases und in
dessen Folge die Menge des ausgetretenen Kohlenstoffs, weit
größer ist, wie beim Respirationsproceß des Menschen. Nun
verbraucht aber ein erwachsener Mensch täglich nahe an 28

Der chemiſche Proceß der
tionsproceß der pflanzenfreſſenden Thiere nehmen, wenn wir
die verhältnißmäßig ſo geringe Menge Kohlenſtoff in Betrach-
tung ziehen, die ſie in ihren ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmitteln
genießen; ſie ſteht durchaus in keinem Verhältniß zu dem durch
Lunge und Haut aufgenommenen und verbrauchten Sauerſtoff.

Ein Pferd kann z. B. in vollkommen gutem Zuſtande erhal-
ten werden, wenn ihm täglich 15 Pfd. Heu und 4½ Pfd. Ha-
fer zur Nahrung gegeben werden. Wenn wir uns nun den gan-
zen Gehalt dieſer Nahrungsſtoffe an Stickſtoff, ſo wie ihn die
Elementaranalyſe feſtgeſetzt hat (Heu 1,5 pCt., Hafer 2,2 pCt.) 15)
rückwärts in Blut, nämlich in Fibrin und Albumin, mit dem
ganzen Waſſergehalt des Blutes (80 pCt.) verwandelt denken,
ſo empfängt das Pferd täglich nur 8 9/10 Loth Stickſtoff, welche
etwas über 8 Pfd. Blut entſprechen. Mit dieſem Stickſtoff hat
aber das Thier, von den andern Beſtandtheilen, welche damit
verbunden waren, nur 28 9/10 Loth Kohlenſtoff empfangen.
Nur 15 9/10 Loth von dieſen 28 9/10 Loth Kohlenſtoff konnten
zur Reſpiration verwendet worden ſein, denn mit dem Stick-
ſtoff, der durch den Harn ausgeleert wird, treten in der Form
von Harnſtoff 6 Lothe und in der Form von Hippurſäure 7
weitere Lothe wieder aus.

Ohne weitere Rechnung anzuſtellen, wird Jedermann zuge-
ben, daß das Luftvolum, was ein Pferd ein- und ausathmet,
daß die Menge des von ihm verzehrten Sauerſtoffgaſes und in
deſſen Folge die Menge des ausgetretenen Kohlenſtoffs, weit
größer iſt, wie beim Reſpirationsproceß des Menſchen. Nun
verbraucht aber ein erwachſener Menſch täglich nahe an 28

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[76/0100] Der chemiſche Proceß der tionsproceß der pflanzenfreſſenden Thiere nehmen, wenn wir die verhältnißmäßig ſo geringe Menge Kohlenſtoff in Betrach- tung ziehen, die ſie in ihren ſtickſtoffhaltigen Nahrungsmitteln genießen; ſie ſteht durchaus in keinem Verhältniß zu dem durch Lunge und Haut aufgenommenen und verbrauchten Sauerſtoff. Ein Pferd kann z. B. in vollkommen gutem Zuſtande erhal- ten werden, wenn ihm täglich 15 Pfd. Heu und 4½ Pfd. Ha- fer zur Nahrung gegeben werden. Wenn wir uns nun den gan- zen Gehalt dieſer Nahrungsſtoffe an Stickſtoff, ſo wie ihn die Elementaranalyſe feſtgeſetzt hat (Heu 1,5 pCt., Hafer 2,2 pCt.) 15) rückwärts in Blut, nämlich in Fibrin und Albumin, mit dem ganzen Waſſergehalt des Blutes (80 pCt.) verwandelt denken, ſo empfängt das Pferd täglich nur 8 9/10 Loth Stickſtoff, welche etwas über 8 Pfd. Blut entſprechen. Mit dieſem Stickſtoff hat aber das Thier, von den andern Beſtandtheilen, welche damit verbunden waren, nur 28 9/10 Loth Kohlenſtoff empfangen. Nur 15 9/10 Loth von dieſen 28 9/10 Loth Kohlenſtoff konnten zur Reſpiration verwendet worden ſein, denn mit dem Stick- ſtoff, der durch den Harn ausgeleert wird, treten in der Form von Harnſtoff 6 Lothe und in der Form von Hippurſäure 7 weitere Lothe wieder aus. Ohne weitere Rechnung anzuſtellen, wird Jedermann zuge- ben, daß das Luftvolum, was ein Pferd ein- und ausathmet, daß die Menge des von ihm verzehrten Sauerſtoffgaſes und in deſſen Folge die Menge des ausgetretenen Kohlenſtoffs, weit größer iſt, wie beim Reſpirationsproceß des Menſchen. Nun verbraucht aber ein erwachſener Menſch täglich nahe an 28

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/100>, abgerufen am 30.04.2024.